Wien/Chicago (Illinois) – Die sprichwörtliche Kongress-Karawane der Krebsspezialisten setzt sich wieder in Bewegung. Vom 29. Mai bis 2. Juni findet in Chicago die 51. Jahrestagung der Amerikanischen Onkologiegesellschaft (ASCO) statt. Für Forscher und Pharmaindustrie handelt es sich um die wichtigste Großveranstaltung auf dem Gebiet der Krebsforschung. Die Veranstalter rechnen mit rund 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Präsentiert werden die Ergebnisse von insgesamt etwa 5.000 neuen Studien.

Ein Fokus wird auf die relativ neue Krebs-Immuntherapie – also die Hemmung jener Mechanismen, mit denen Tumore die körpereigene Abwehrreaktion bremsen – liegen. Zudem werden die Erfahrungen mit zielgerichteten Arzneimitteln, die bösartige Zellen an ganz bestimmten Signalwegen angreifen, vorgestellt. Ein weiteres Thema werden Biomarker sein, mit denen jene Patienten erst gefunden werden können, die auf diese modernen medikamentösen Krebsbehandlungen am besten ansprechen.

Vitamin B3

Im Vorfeld des Kongresses gab es bereits Vorausveröffentlichtungen zu bestimmten Studien. "Solche wissenschaftliche Studien sind der Motor für den Fortschritt für Krebspatienten aller Altersgruppen", sagte ASCO-Präsident Paul Yu. So hat zum Beispiel eine große australische Studie gezeigt, dass die täglich Einnahme von Vitamin B3 (Nikotinamid) über einen Zeitraum von zwölf Monaten bei Hautkrebs-Hochrisikopatienten das Erkrankungsrisiko um 23 Prozent verringert.

In einer großen Wirksamkeitsstudie bei Patienten mit einem Rückfall bei einem Multiplen Myelom hat beispielsweise ein neuer monoklonaler Antikörper (Elotuzumab) eine Verlängerung des Zeitraums bis zum Wiederauftreten der Erkrankung nach Remission um fünf Monate gebracht. Fortschritte, so eine Aussendung, gibt es auch bei einer relativ häufigen Krebserkrankung bei Kindern, dem Wilms Tumor. Bestimmte Patienten profitieren hier von einer intensivierten Therapie.

Prostata- und Lungenkrebs

Schließlich werden auch Ergebnisse über die Kombination einer antihormonellen Therapie bei Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom plus einer Chemotherapie mit einem auch sonst in der Krebsbehandlung häufig verwenden Medikament (Docetaxel). Die Chemotherapie verlängert offenbar die durchschnittliche Überlebenszeit der Betroffenen um zehn Monate.

Internationale Pharmakonzerne weisen ebenfalls auf positive Studienergebnisse hin, die beim ASCO-Jahreskongress im Detail präsentiert werden. In zwei Untersuchungen von Roche, die zur Zulassung von Alectinib, einem oralen Arzneimittel der zielgerichteten Krebstherapie, führen sollen, zeigte sich bei Patienten mit sogenanntem ALK-positivem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom nach einer ersten Behandlung mit einem ALK-Inhibitor noch immer eine Ansprechrate bei rund 50 Prozent der Patienten.

Kranke mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom weisen zu etwa zweieinhalb Prozent eine Mutation im ALK-Gen auf. Hier lassen ALK-Inhibitoren gute Behandlungserfolge erhoffen. Schlägt die erste Therapie (z.B. mit dem ALK-Inhibitor Crozitinib) fehl, könnte hier in Zukunft eine weitere Möglichkeit mit Alectinib bestehen.

Monoklonale Antikörper

Bei dem Kongress werden aber auch mehrere Studien zur Krebs-Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern vorgestellt. Sie hemmen auf Immunzellen (T-Zellen) Rezeptoren (CTLA-4, PD1) oder deren Gegenstücke (Liganden, z.B. PD-L1), die zu einer Unterdrückung der Aggressivität der körpereigenen Abwehr oder zu deren Absterben führen.

Eine Blockade lässt die Immunantwort auf die Krebszellen wieder besser in Gang kommen. Diese Medikamente wirken laut bisherigen Resultaten offenbar breiter als die Medikamente der zielgerichteten Therapie bei Krebs. So zeigte sich in einer von Roche gesponserten wissenschaftlichen Studie mit dem Anti-PD-L1-Antikörper MPDL3280A, dass bei Patienten mit bereits vorbehandeltem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom im Beobachtungszeitraum die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten verdoppelt werden konnte.

Der deutsche Konzern Boehringer Ingelheim wird mehrere Studien mit den Tyrosin-Kinase-Hemmstoffen Afantinib und Nintedanib präsentieren. Letzteres ist auch bereits auf ganz anderem Gebiet zugelassen: zur Behandlung der Lungenfibrose. (APA, red, 18.5.2015)