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Foto: PAWEL KOPCZYNSKI / REUTERS

Einst war die Aufteilung klar: Da gab es den Computer, auf dem die elektronischen Aufgaben erledigt werden, und dort all die anderen Dinge im Haushalt, die mit dieser Sphäre nicht in Berührung kamen. Eine Trennung, die mittlerweile allerdings Geschichte ist, längst sind kleine Computer in viele Bereiche unseres Lebens vorgedrungen. Vom Mobiltelefon über den Kühlschrank bis zu mit dem Internet verbundenen Spielzeugen reicht die Palette.

Datensammelei

Sicherheitsexperte Bruce Schneier betrachtet diese Entwicklung bereits länger mit Sorge, und zieht nun in einem aktuellen Kommentar für den Guardian ein vernichtendes Fazit: "Wir haben unsere Seele den Internet-Giganten verkauft". All diese neuen Geräte seien Datensammelmaschinen, Devices, mit denen wir uns selbst überwachen, um die Daten anschließend bereitwillig an große Konzerne weiterzuleiten.

Analyse

Dabei gehe es schon lange nicht mehr nur um die Frage, wer mit wem kommuniziert. Fitness-Tracker lassen Rückschlüsse auf unsere Gesundheit zu, unser aktueller Standort wird üblicherweise gleich von einer Vielzahl von Services parallel festgehalten. Und all dies wird von den dahinter stehenden Unternehmen ausgewertet, meist ohne unser Wissen, oft auch ohne explizite Zustimmung. Bei jedem Besuch einer Webseite tracken uns zahlreiche Services, von Facebook mit seinem Like-Button über Google Analytics bis zu einer Fülle weniger bekannter Werbedienstleister. All dies ermöglicht ein umfassendes Profil über unsere Surfverhalten.

Mobile Probleme

Am Smartphone ist die Situation nicht weniger problematisch, dazu liefert Schneier zwei Beispiele: Angry Birds sammle unsere Standortdaten, selbst wenn wir gerade nicht spielen. Im Jahr 2013 kooperierten Samsung und Jay Z, um dessen neues Album mit einer App vorab zum Hören anzubieten. Die daraus entstandene App konnte nicht nur alle am Gerät verwendeten Accounts einsehen, sondern sammelte auch Informationen über Standort und mit wem die Nutzer kommunizierten. Viele der solcherart gesammelten Daten würden zwar prinzipiell anonym erstellt, betont Schneier, diese Einschränkung sei aber de fakto wirkungslos. Konzerne wie Google wüssten so viel über uns, dass sie all die Daten problemlos eindeutig zuordnen könnten.

Überwachung als Geschäftsmodell

Dass "Überwachung das Geschäftsmodell des Internets" sei, habe vor allem zwei Gründe: Die Menschen mögen "kostenlos" und "einfach." Der Wert der Privatsphäre werde hingegen erst geschätzt, wenn man sie bereits verloren habe. Zudem würde den Nutzern meist auch keine Wahl gegeben, es heiße Daten hergeben oder auf das jeweilige Angebot zu verzichten.

Feudalherrscher

Schneier wirft den großen Konzernen aber auch vor, bewusst die Privatsphäre auszuhöhlen. Es sei kein Zufall, dass Facebook die Nutzer nicht deutlich darauf hinweist, wie umfassend das Profil ist, dass man von jedem gewinnt, der sich bei dem sozialen Netzwerk einloggt. Diese Unternehmen seien Feudalherrscher, auf deren Feldern wir alle die Daten produzieren, mit denen sie ihren Profit machen.

Cloud

Und es werde immer schwerer dieser Welt zu entkommen. Während es in früheren Jahren noch bis zu einem gewissen Grad möglich war, sich der Datensammelei zu enziehen, sei dies mittlerweile kaum mehr möglich, so Schneier. Dafür verantwortlich sind vor allem zwei aktuelle Trends. Da wäre zunächst der Aufstieg der Cloud: Immer öfter werden Rechenaufgaben nicht mehr lokal sondern irgendwo im Internet vorgenommen. Das Hergeben unserer Daten ist die Voraussetzung dafür, welcher Gesetzgebung sie dabei unterliegen, wissen wir meist gar nicht.

Bruce Schneier

Dazu kommt der unaufhaltsame Aufstieg von Geräten, die wir nicht mehr selbst unter Kontrolle haben: Vom iPhone über Android Tablets bis zu Chromebooks: Aus Bequemlichkeitsgründen hätten wir all dort unsere Möglichkeiten beschränken lassen. Wer ein Buch auf seinem Kindle speichert, muss damit leben, dass Amazon dieses aus der Ferne löschen kann. Dass der Online-Händler diese Möglichkeit vor einigen Jahren ausgerechnet bei einer Kopie von George Orwells "1984" umsetzte, sei an Ironie eigentlich kaum mehr zu überbieten, so der Sicherheitsexperte.

Kaum ein Ausweg

Doch was bleibt den Nutzern angesichts einer solch umfassenden Überwachungsinfrastruktur? Wenig, meint Bruce Schneier. Derzeit könne man sich eigentlich nur entscheiden, welchem Feudalherrscher man sein Leben verkaufen wolle. Der Ratschlag einfach auf all diese Services zu verzichten sei nicht umsetzbar. Für Schüler oder Studenten sei es mittlerweile schlicht unmöglich, auf eine Internet-Suche oder die Wikipedia zu verzichten. Andere Tools seien zentral für unsere Karriere oder unser soziales Leben.

Gesetzgebung

Was es insofern brauche, sei eine neue Gesetzgebung, die uns vor solch massenhaften Datensammlungen und der damit betriebenen Überwachung schützen. Daten seien Macht, und zwar eine, die bisher sehr einseitig verteilt ist, betont Schneier. Es sei an der Zeit, dass die Regierungen der Welt einschreiten und einen Ausgleich schaffen. (apo, 18.5.2015)