Die 1980er-Jahre-Ausstellung im Musa serviert abwechslungsreiche, g’schmackige, zuweilen kitschige und unzüchtige Häppchen. Im Bild Renate Bertlmanns "Impudica" aus der Serie "Farphalle Impudiche".

Foto: musa

Wien - Sie begannen mit der Einführung der Sommerzeit und endeten mit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Mit dem Tauwetter für Europa brachten die 1980er-Jahre in Österreich den Rücktritt Bruno Kreiskys und die Schulterpolster, weiters Gelfrisuren und den Aufstieg des jungen Jörg Haider. Die Fernsehsender, die über die Affäre Waldheim informierten, hießen FS 1 und FS 2 und zeigten nachts Testbilder. Nicht vergessen darf man dann noch We Are The World und Hainburg, Tschernobyl und neonfarbige Mode.

Wem diese kleine Collage der 1980er-Jahre allzu kühn und verkürzt erscheint, wer aber vielleicht trotzdem - und sei es aufgrund eigener Assoziationen - schmunzelt: Nun, der hat schon eine kleine Ahnung von der Ausstellung Die achtziger Jahre im Wiener Museum Startgalerie Artothek (Musa) bekommen.

Kuratorische Qualen

Im Jahrzehnt von Madonna und Karottenhosen ist nämlich auch in der Kunstsammlung der Stadt Wien einiges zusammengekommen: etwa Farbexzesse "junger Wilder" wie Siegfried Anzinger oder Gunther Damisch mit der Aufgeräumtheit eines neuen Konstruktivismus namens Neo Geo, wie ihn Gerwald Rockenschaub vertrat. Gekauft wurden "erweiterte Plastiken" aus Pappmaché von Franz West oder Erwin Wurm ebenso wie Lichtkunst von Brigitte Kowanz oder die feministischen Statements Renate Bertlmanns. Dass die Mischung nicht allzu bunt würde, dafür sorgte ab 1986 eine Jury, die Kunstreferent Wolfgang Hilger einsetzte.

Auszüge dieser bunten Kollektion präsentiert das Musa jetzt in seiner nunmehr vierten Jahrzehntshommage. Ihrem Untertitel "Pluralismus an der Schwelle zum Informationszeitalter" macht die 80er-Schau dabei alle Ehre: Sie serviert ein abwechslungsreiches, g'schmackiges Häppchenmenü, selbstredend, ja, stilecht, versetzt mit so manchen Geschmacklosigkeiten, die heute vielleicht Jugendsünden genannt werden.

Der Punkt ist aber: Die 1980er sind zu groß für das Musa. Und dabei wollte Kurator Berthold Ecker noch nicht einmal eine kunst- und kulturhistorische Darstellung des Jahrzehnts schaffen, sondern lediglich präsentieren, was im Rahmen des Möglichen liegt, nämlich "welche Kunst die Stadt Wien in den 80ern sammelte". Doch trotz aller eingestandenen Lücken: Man hätte dieselbe Dekadenhymne drei- oder viermal wiederholen können, erklärt Mitkuratorin Brigitte Borchhardt-Birbaumer.

Man fühlt mit ihr, wenn sie von der Qual der Wahl spricht und von den Möglichkeiten, die in der Sammlung angelegt gewesen wären, aber nicht realisiert werden konnten. Man kann ihr Leid sogar angreifen und hochheben: Rund dreieinhalb Kilo wiegt der Katalog, der die Sammlungspolitik Wiens in den 80ern in alphabetischer Ordnung widerspiegelt.

Hinterfragte Weiblichkeitsbilder

Das Musa geht allerdings auch jetzt schon über, wo die meisten Künstler nur mit einem oder zwei Werken vertreten sind; wo man lediglich einen kursorischen Überblick über Stile und Strömungen gibt; wo man zwar einige raffinierte Werkkombinationen gefunden hat, das In-die-Tiefe-Gehen letztlich aber doch den Betrachtern überlassen muss. Nur die Spitze eines Eisbergs ist etwa das bemalte Holzobjekt Unüberbrückbare Nähe aus dem holistisch gedachten OEuvre der Künstlerkooperative K.U.Sch.

Solches wissen die Kuratoren freilich und führen deshalb als Stärke ihrer Schau ins Feld, dass diese auch in Bereiche abseits des Kanons führe, sich nicht auf die immergleichen Persönlichkeiten und Hauptwerke konzentriere. Es bleibt zwar die Frage, wieso man nicht gleich einen Schwerpunkt auf die "übersehene" Kunst der 80er gelegt hat, das Argument hat aber etwas für sich.

Deutlich wird das etwa, wenn man nahe zwei Übermalungen Arnulf Rainers auf eine Fotoinstallation der feministischen Gruppe "Wir über uns" trifft. Dem Trio, bestehend aus Margot Pilz, Karin Mack und Linda Christanell, ist im Musa sogar ein größerer Bereich gewidmet.

Ihren Schwarz-Weiß-Körpernahaufnahmen und -Szenen, mit denen sie lustvoll Weiblichkeitsbilder hinterfragen, gelingt letztlich aber auch vor allem eines: neugierig zu machen auf eine kommende Personale Pilz'. (Roman Gerold, DER STANDARD, 18.5.2015)