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Mohammed Morsi am Samstag bei der Urteilsverkündung in einem abgesicherten Gerichtssaal am Rande der Hauptstadt Kairo.

Foto: Reuters / Mohamed Abd El Ghany

Die internationale Kritik am Todesurteil für den ehemaligen ägyptischen Staatspräsidenten Mohammed Morsi ließ nicht lange auf sich warten: Nur wenige Stunden, nachdem er sowie weitere 105 Muslimbrüder durch den Vorsitzenden Richter Shabaan al-Shamy wegen eines Gefängnisausbruchs während der Revolution 2011 verurteilt worden waren, meldete sich am Sonntag das US-Außenministerium zu Wort: Massenprozesse wie jener in Kairo seien unvereinbar mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und den internationalen Verpflichtungen Ägyptens, sagte ein Vertreter des State Department in Washington.

Auch der deutsche Außenminister Steinmeier äußerte sich in diesem Sinne: In Jordanien sagte er, die Todesstrafe sei "eine Form der Strafe, die wir kategorisch ablehnen". Er erwarte, dass die ägyptische Justiz "nach Recht und Gesetz handelt - und nicht nach politischen Maßstäben".

Amnesty sieht "Farce"

Dass die Urteile gegen die im Sommer 2013 entmachteten Islamisten eben solche politischen Urteile sind, ist auch die einhellige Meinung von Menschenrechtsorganisationen: Amnesty International sprach bereits am Samstag von einer "Farce". Laut Verfassung kann ein amtierender Präsident (das war Morsi im fraglichen Fall) nur von einem speziellen Richtergremium abgeurteilt werden.

Mit einem Todesurteil war nicht unbedingt zu rechnen, nachdem der neue Präsident Abdelfattah al-Sisi zuletzt die internationale politische Isolation durchbrechen konnte. Seitdem das böse Wort vom Militärputsch fast nirgends mehr zu hören ist, war doch eher ein Spruch erwartet worden, der in dieses politische Umfeld passt.

Auch weitere hochrangige Muslimbrüder erhielten die Todesstrafe in einem zweiten Verfahren für Verschwörung mit fremden Mächten - darunter mit Katar und den iranischen Revolutionsgarden.

Stellungnahme des Großmufti

Mohammed Badie, der oberste Führer der Muslimbrüder, trug am Samstag rote Kleidung als Zeichen, dass bereits in zwei anderen Prozessen Todesurteile gegen ihn ausgesprochen worden waren.

Die Urteile werden nun an den Großmufti - die höchste religiöse Instanz - zur Begutachtung geschickt. Seine Empfehlung ist allerdings nicht bindend. Am 2. Juni werden die Richter dann ihr endgültiges Urteil fällen. Erst dann können Staatsanwaltschaft und Angeklagte Berufung einlegen.

Nur Stunden nach dem Urteil erschossen Unbekannte in der Nähe von al-Arish im Nordsinai zwei Richter und einen Staatsanwalt - für die Polizei ein Racheakt von Militanten von Ansar Beit al-Maqdis, einer jihadistischen Gruppe, die immer wieder Anschläge auf dem Sinai gegen Sicherheitskräfte verübt. Am Sonntag wurden sechs bereits zum Tode verurteilte Mitglieder von Ansar Beit al-Maqdis per Strick exekutiert.

Dezentrale Proteste der Muslimbrüder

In den vergangenen Monaten wurden in ähnlichen Massenprozessen Hunderte von Todesurteilen gegen Muslimbrüder verhängt. Die Organisation ist derart geschwächt, dass sie nicht mehr mit Massenprotesten reagieren kann. Sie muss sich auf dezentralisierte spontane Aktionen beschränken. Sympathisanten verüben auch regelmäßig Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. "Wartet bis der bewaffnete Ärger steigt", warnte eine Internetbotschaft.

Morsi war als Chef der Partei der Muslimbrüder im Sommer 2012 zum Präsidenten gewählt worden. Nachdem er sich per Verfassungsdekret selbst Machtbefugnisse zugeschanzt hatte, protestierten Millionen Ägypter wegen angeblicher Amtsanmaßung. Die Proteste gipfelten in seiner Entmachtung durch die Armee im Sommer 2013 und der anschließenden blutigen Auflösung der Pro-Morsi-Protestcamps, als 1400 seiner Anhänger ums Leben kamen. Die Partei der Muslimbrüder ist seitdem verboten, und die Organisation wird als Terrororganisation eingestuft. (Astrid Frefel aus Kairo, 17.5.2015)