Kiew - Am Freitag hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) seinen ukrainischen Amtskollegen in Wien empfangen und mit ihm über den Ukraine-Konflikt beraten. "Wir haben über die Umsetzung des Minsker Abkommens gesprochen", teilte Kurz in einer Aussendung am Samstag mit. "Es gibt keine Alternative zum Minsker Abkommen und auch keine militärische Lösung für diesen Konflikt."
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat indes ebenfalls am Freitagabend vier teils umstrittene Gesetze zur Geschichtspolitik unterschrieben, die zum Verbot kommunistischer Symbolik und zur Umbenennung zahlreicher Straßen- und Ortsnamen führen sollen. Zudem ist die staatliche Anerkennung ukrainischer Freiheitskämpfer des 20. Jahrhunderts und eine nahezu völlige Öffnung der KGB-Archive vorgesehen.
Nachdem das ukrainische Parlament am 9. April das Gesetzespaket zur offiziellen Geschichtspolitik mit einer deutlichen Mehrheit beschlossen hatte, verlieh Poroschenko mit seiner Unterschrift den neuen Bestimmungen nunmehr Rechtskraft. Dies verkündigte die Präsidentschaftskanzlei am Freitagabend auf ihrer Homepage.
Die Gesetze "Zur Verurteilung der kommunistischen und nationalsozialistischen totalitären Regime in der Ukraine und zum Verbot der Propagandierung ihrer Symbolik", "Zum Zugriff auf Archive repressiver Staatsorgane des kommunistischen totalitären Regimes 1917 - 1991", "Über die Verewigung des Andenkens an den Sieg über den Nazismus im Zweiten Weltkrieg 1939 - 1945" und "Über den rechtlichen Status und Würdigung des Andenkens an Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im 20. Jahrhundert" markieren einen deutlichen Bruch in der ukrainischen Geschichtspolitik und bedeuten eine Absage an bisher wirkungsmächtige sowjetische Traditionen.
Heftige Kritik
Teilaspekte der nunmehr gültigen Gesetze stießen in den vergangenen Wochen auf heftige Kritik, internationale Ukraine-Experten forderten den Präsidenten in einem Protestbrief auf, seine Unterschrift zu verweigern. Der Widerstand richtete sich insbesondere gegen die Würdigung jener ukrainischen Freiheitskämpfer, die während des und auch nach dem 2. Weltkrieg umstrittenen nationalistischen Organisationen wie der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) oder der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) angehört hatten.
Aber auch das Verbot von kommunistischer Symbolik war in betroffenen Kommunen nur mit wenig Begeisterung aufgenommen worden. Nicht nur, dass nunmehr alle Lenin-Statuen und andere Denkmäler für sowjetische Führer verschwinden müssen. Das Gesetz sieht auch vor, dass in den nächsten sechs Monaten einschlägige Ortsbezeichnungen verändert werden müssen. Betroffen sind nicht nur zahllose Lenin-Straßen, sondern auch zumindest 25 Städte sind tangiert. So müssen sich das nach Wladimir Ilitsch Lenin benannte Illitschiwsk, das nach dem Leningrader KP-Sekretär Sergej Kirow benannte Kirowohrad oder das nach dem Berufsrevolutionär Grigori Petrowski benannte Dnipropetrowsk nunmehr einen neuen oder alten Namen suchen.
Freiheitskämpfer-Gesetz
Gleichzeitig mit seiner Unterzeichnung kündigte Poroschenko am Freitagabend an, dem ukrainischen Parlament eine Novelle für das Freiheitskämpfer-Gesetz vorzuschlagen. Damit sollen, so heißt es auf der Homepage der Präsidentschaftskanzlei, Kollisionen vermieden werden, die für einen Missbrauch der Gesetze verwendet werden könnten und für Grundrechtsverletzungen instrumentalisiert werden könnten - "insbesondere in Hinblick auf die Freiheit wissenschaftlicher Forschung und bei der internationalen Zusammenarbeit".
Mit dieser angekündigten Novelle reagierte der Präsident sichtlich auch auf polnische Befindlichkeiten. Denn in der aktuellen Fassung sieht eines der Gesetze explizit vor, dass In- und Ausländer für die öffentliche Herabwürdigung von ukrainischen Freiheitskämpfern bestraft werden sollen. Gerade in Polen verbindet man etwa die im Gesetz explizit angeführte Ukrainische Aufständische Armee (UPA) weniger mit einem legitimen Freiheitskampf, sondern insbesondere mit Kriegsverbrechen und der massenhaften Vertreibung polnischer Zivilisten aus der heutigen Westukraine. (APA, 15.5.2015)