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Das "Internet-Kleid" ist in echt unzweideutig blau und schwarz. Und darunter noch einmal in der Version, deren Farbschema so vielen Betrachtern Probleme bereitete:

Foto: AP Photo/PA. Joe Giddens
Foto: Current Biology/Cecilia Bleasdale

Wien - Es war bloß ein unscharfer Schnappschuss eines Kleides. Aber im Gegensatz zu Millionen anderer Bilder, die täglich hochgeladen werden, wurde dieses im Februar gepostete Foto zu einem viralen Phänomen. Der Grund dafür war buchstäblich alles andere als eindeutig: Während nämlich die einen das Kleid am Foto als blau und schwarz wahrnahmen, sahen andere bloß Weiß und Gold. Und ein paar Außenseiter schwören auch noch auf Blau und Braun.

Wie aber lassen sich diese Unterschiede erklären? Schon bald meldeten sich erste Forscher mit Erklärungen dieses Phänomens, das für den US-Neurowissenschafter Bevil Conway der extremste Fall von unterschiedlicher Farbwahrnehmung ist, der bis jetzt dokumentiert wurde.

Conway gehört einer von gleich drei Forschergruppen an, die in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Current Biology" die Kleiderfrage aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nehmen. So ganz eindeutig sind ihre Antworten indes auch nicht.

Conway ging die Frage statistisch mit einer Befragung von 1400 Personen an. Dabei zeigte sich, dass die drei verschiedenen Wahrnehmungsweisen etwas mit dem Alter und dem Geschlecht der Betrachter zu tun haben: Frauen und ältere Personen nehmen das Kleid am Foto eher als weiß und golden wahr. Conway vermutet, dass die Farbwahrnehmung davon abhängt, ob man seine Zeit eher in natürlichem Tageslicht verbringt oder eher Kunstlicht ausgesetzt ist.

Der Wahrnehmungspsychologe Karl Gegenfurtner der Universität Gießen wiederum fand heraus, dass alle Menschen beim Betrachten des Fotos im Grunde ähnliche Farbtöne sehen, die sich nur in der Helligkeit unterscheiden. Die wahrgenommenen Farben reichen von einem sehr hellen Hellblau bis zu leuchtendem Mittelblau, von Gelb und Gold bis zu einem sehr dunklen Braun.

Diese Farben befinden sich im Farbkreis auf der sogenannten Tageslichtachse. Je nach Stand der Sonne tendiert das Tageslicht eher ins Bläuliche (mittags) oder ins Gelbliche (morgens und abends). Menschen sind normalerweise in der Lage, den Einfluss von bläulichem oder gelblichem Licht unbewusst herauszufiltern, sodass alle dieselben Farben wahrnehmen. Dazu benötigen sie aber Anhaltspunkte, also Farben, die abseits der Tageslichtachse liegen - und die im Foto fehlen.

Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt, den der Kognitionspsychologe Michael Webster in seiner Studie betont: die besondere Ambivalenz der Farbe Blau und die Verwechslung von blauem Licht und blauer Farbe. Resümee: Das gleiche Foto eines roten Kleides wäre sicher nicht viral geworden. (Klaus Taschwer, 16.5.2015)