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Der Vergleich von drei Strafrechtssystemen zeigt, dass Österreich schnell einsperrt.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien - In Österreich werden Delinquenten zu schnell eingesperrt - und die Strafe hängt den Betreffenden länger nach als in anderen, vergleichbaren europäischen Ländern. Das ist keine schnell dahingesagte Behauptung kritischer Juristen (siehe Interview), sondern durch eine aktuelle Studie unterlegt, die in der März-Ausgabe des "Journals für Strafrecht" publiziert wurde.

Drei renommierte Juristen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz (Jörg Martin Jehle, Arno Pilgram, Daniel Fink) haben die drei Strafrechtssysteme verglichen und, auf Basis des Jahrs 2012, sich auch die Verurteilungen angesehen. Bewertet wurden dabei nur Verurteilungen von Personen über 18 Jahre, Verkehrsdelikte und Verurteilungen wegen fahrlässiger Körperverletzung und Tötung wurden aus Gründen der Vergleichbarkeit ausgenommen.

Keine geringere Rückfallquote

Dennoch: Die Studie kommt zu dem Schluss, dass in Österreich viel öfter (teil)unbedingte Strafen verhängt werden als in den zwei anderen Staaten. Präventive Wirkung hat die Lust an der unbedingten Verurteilung offenbar nicht: In Österreich gibt es letztlich keine geringere Rückfallquote als in Deutschland oder in der Schweiz.

Sieht man sich die Daten im Detail an, fällt auf, dass in Deutschland die kurze Freiheitsstrafe bis sechs Monate sehr zurückhaltend gehandhabt wird: Gerade einmal auf 20 Verurteilungen pro 100.000 Einwohner kam man dort 2012. Anders in Österreich, wo es bis zu 45 Verurteilungen gab, in der Schweiz schwankten die Zahlen sogar um die 100 pro 100.000 Einwohner. Allerdings: Die Schweiz war dafür zurückhaltend bei allen längeren Haftstrafen von mehr als einem Jahr, deren gab es nur 14, in Deutschland 28, in Österreich gar 34 pro 100.000 Einwohner. Damit bewegt sich Österreich sowohl bei kurzen als auch bei längeren Strafen im Spitzenfeld.

Unbedingte Freiheitsstrafen reduzieren

Die unterschiedliche Praxis bei der Verhängung von Freiheitsstrafen kann letztlich nur zum Teil durch verschiedene Möglichkeiten der Verfahrenserledigung ohne Anklage (Diversion) erklärt werden. Solche Möglichkeiten bestehen in der Schweiz faktisch kaum - was wiederum die relative häufige Verhängung kurzer Freiheitsstrafen erklärt. Doch der Trend geht in der Schweiz nach der jüngsten Strafrechtsreform dahin, nicht nur die bedingten Freiheitsstrafen stark durch Geldstrafen und "ambulante Sanktionen" (etwa gemeinnützige Arbeit) zu ersetzen, sondern auch kurze unbedingte Freiheitsstrafen zu reduzieren.

In Österreich dagegen hat die Diversion nicht dazu geführt, dass mehr Straftaten "geldförmig" sanktioniert wurden. Im Gegenteil: "Derzeit gibt es fast nur halb so viele Geldstrafen und -bußen wie 1999, demgegenüber haben sonstige Diversionsmaßnahmen, aber auch freiheitsbeschränkende Sanktionen (zumeist Haft, Anm.) an Gewicht gewonnen."

Was Wiederverurteilungen betrifft, gelte "Wirkungsneutralität": Laut Studie führen die strengeren Sanktionen nicht automatisch zu geringeren Rückfallquoten. Daraus schließen die Autoren, dass "Kriminalpolitik und Strafrechtsanwendung wieder stärker unter anderen Gesichtspunkten als Kriminalprävention zu gestalten" ist. (Petra Stuiber, 15.5.2015)