Bürgerinitiativen wünschen sich einen Unesco-Welterbestatus für das Otto-Wagner-Areal in Wien-Penzing.

Christian Fischer

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Die 140 neuen Appartements sollen im Ostteil entstehen.

Grafik: APA/WSE

Die Otto-Wagner-Kirche steht unter Denkmalschutz.

Christian Fischer

Das Spital siedelt bis 2020 schrittweise ab.

Christian Fischer

Wien – Der Streit um die Bebauung des Wiener Otto-Wagner-Areals ist nicht beigelegt. Die Bürgerinitiativen wollen nun – nach eigener Aussage – Druck auf die Politik ausüben. Dazu schalten sie den internationalen Denkmalrat Icomos, Berater der Unesco in Sachen Kulturerbe, ein. Der ermöglicht es besorgten Bürgern, mit einem sogenannten "Heritage Alert", die Gefährdung einer bedeutenden Kulturstätte international publik zu machen.

Icomos soll nun – so der Plan der Bürgerinitiativen – das Jugendstilensemble auf den Steinhofgründen als Heritage at risk (Erbe in Gefahr) einstufen, damit den Welterbestatus, für den sich die Bebauungsgegner seit Jahren erfolglos einsetzen, einen Schritt näher bringen und den Bau der geplanten 140 Wohneinheiten verhindern. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit", sagte Christian Schuhböck, Generalsekretär der Landschaftsschutzorganisation Alliance for Nature. Doch die Karten stünden nicht schlecht, denn "Österreich will es sich ja nicht mit der Unesco verscherzen", so Schuhböck.

Nur ideeller Status

Die Stadt scheint sich allerdings von dieser Taktik nicht unter Druck gesetzt zu fühlen. "Unser Zeitplan wird sich nicht ändern", so Gesiba-Generaldirektor Ewald Kirschner zum STANDARD. Der Baustart ist für das erste Quartal 2016 geplant. Die Wiener Standortentwicklung GmbH (WSE), die bis Ende 2016 ein Gesamtnutzungskonzept ausarbeiten soll, sieht sich ebenfalls nicht betroffen: "Wir berücksichtigen ohnehin die Empfehlungen der Expertenkommission, die Bestimmungen zu Denkmal- und Ensembleschutz sowie die Flächenwidmung", sagte ein Sprecher der WSE auf STANDARD-Anfrage. Weder der "Alarm" noch der Welterbestatus würden etwas ändern, sagte auch die Wiener Gemeinderätin Jennifer Kickert (Grüne). Die Einstufung als Welterbe stelle keinen Schutz, sondern einen ideellen Status dar, der nur als Marketinginstrument im Tourismus verwertbar sei.

Die Stadt arbeite derzeit daran, einen "wasserdichten" Flächenwidmungsplan auszuarbeiten, der garantiert, dass eine Bebauung über die 140 neuen Sozialwohnungen hinaus nicht möglich ist. Dass der Denkmalschutz gewahrt bleibt und zwischen den Pavillons nicht gebaut wird, soll ebenfalls rechtlich fixiert werden. Außerdem werde die Stadt die zum Teil baufälligen Pavillons sanieren – eine Einigung über Finanzierung und Zeitrahmen stehe aber noch aus.

Misstrauen bleibt

Ursprünglich hätten auf den Penzinger Steinhofgründen insgesamt 600 Wohnungen entstehen sollen. Heftige Proteste von Bürgerinitiativen veranlassten die Stadt dazu, ein Mediationsverfahren zu starten und eine Expertenkommission einzusetzen. Im Herbst 2014 wurde schließlich beschlossen, die neuen Appartements auf 140 im östlichen Geländeteil zu reduzieren. 60 bis 80 weitere sollen in bereits bestehende Wirtschaftsgebäude integriert werden. Die WSE soll für die Pavillons, die bis 2020 im Zuge der Spitalsreform schrittweise frei werden, ein Konzept für einen Mix aus wissenschaftlichen, kulturellen, sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen erstellen.

Bei den Gegnern herrscht aber weiterhin tiefes Misstrauen. 2015 wurde unter anderem eine Baumpatenschaftsaktion gestartet – obwohl laut Expertenkommission botanisch wertvolle Bäume auf dem Areal weder gefällt noch gefährdet werden dürfen. Befürchtet wird auch, dass bestehende therapeutische Einrichtungen durch Konflikte mit zugezogenen Anrainern verdrängt werden könnten oder dass trotz Flächenwidmungsplan auch weiterhin gebaut wird.

Mahnmal statt Wohnbauten

Mit seiner Geschichte sei das Gelände außerdem ein Mahnmal und entspreche damit in einem weiteren Punkt den Unesco-Richtlinien für Welterbe, so Carola Röhrich von der Initiative "Steinhof erhalten". 7.500 Menschen, darunter hunderte Kinder, wurden zwischen 1940 und 1945 im Rahmen des NS-Euthanasieprogramms in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt ermordet. Röhrich sieht den Respektabstand nicht gewahrt und befürchtet "Jux und Tollerei auf blutgetränktem Boden". (Christa Minkin, 14.5.2015)