Die britische Innenministerin Theresa May will Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer künftig zurückschicken.

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Brüssel – Die EU-Kommission will Flüchtlinge besser verteilen. Dieser Plan sieht unter anderem die Verteilung von an der EU-Außengrenze ankommenden Schutzsuchenden nach einem fixen Schlüssel sowie die Aufnahme von 20.000 bereits von der UNO anerkannten Flüchtlingen vor. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Quotenregelung für in Europa ankommende Flüchtlinge: Die Kommission will mit Ende Mai einen Notfallmechanismus im EU-Vertrag für den Fall eines "plötzlichen Zustroms von Drittstaaten-Angehörigen" aktivieren. "Personen, die klar internationalen Schutz bedürfen", sollen nach einem Schlüssel (Bevölkerungszahl, Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit und bereits aufgenommene Flüchtlinge) auf "alle Mitgliedsstaaten" verteilt werden. Diese sind dann für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Bis Ende des Jahres will die Kommission einen Vorschlag für eine "verpflichtende und automatisch ausgelöste Verteilung" in solch einem Fall vorlegen. Was Schutzsuchende aus Krisenherden betrifft, sieht die EU einen Prozentsatz von 2,62 Prozent der ankommenden Migranten für die österreichische Quote vor.

Legale Einreismöglichkeiten: Bis Ende Mai will die Kommission ein Modell für die permanente Umsiedelung (Resettlement) von 20.000 bereits von der UNO anerkannten Flüchtlingen nach Europa vorlegen, die EU stellt dafür bis Ende 2016 insgesamt 50 Mio. Euro zur Verfügung. Österreich soll nach dem oben genannten Schlüssel 444 von ihnen aufnehmen. Wenn nötig soll diese Quotenregelung nach 2016 verbindlich gesetzlich festgeschrieben werden.

Vorgehen gegen Schlepper: Neben der Zerstörung von Booten auch besserer Informationsaustausch zur Identifizierung von Schmugglernetzwerken sowie der Versuch, "Anzeigen" von Menschenschmugglern aus dem Internet entfernen zu lassen. Italien will die Führung eines internationalen Polizeieinsatzes gegen Menschenschmuggler übernehmen. Als Modell soll der Einsatz gegen die Piraterie in Somalia dienen. "Italien ist bereit, sich an die Spitze dieses Einsatzes zu setzen. Wir warten auf ie Zustimmung der UNO", sagte Italiens Innenminister Angelino Alfano.

Zusammenarbeit mit Herkunfts-/Transitländern: Die EU will bis Ende 2016 insgesamt 30 Mio. Euro zusätzlich für Entwicklungshilfeprojekte in Nordafrika und am Horn von Afrika zur Verfügung stellen. Zudem soll ein "Mehrzweckzentrum" im Niger entstehen und unter anderem "Resettlement-Möglichkeiten" sowie freiwillige Rückkehrmöglichkeiten für "illegale Migranten" anbieten.

EU-Asylbüros an den Außengrenzen: Das EU-Asylbüro EASO (European Asylum Support Office), die Grenzschutzagentur Frontex und Europol wollen Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen bei der "schnellstmöglichen" Bearbeitung von Asylgesuchen ankommender Migranten unterstützen. Im Fall einer Ablehnung soll Frontex bei der Abschiebung in die Herkunftsländer helfen. Zudem will die EU den betroffenen Mitgliedsstaaten mit 60 Mio. Euro an "Nothilfe" unter die Arme greifen.

Mogherini informiert NATO

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat vor dem Hintergrund der geplanten Militäreinsätze gegen libysche Schlepperbanden die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der NATO betont. "Eine enge Abstimmung auf allen Ebenen ist für uns extrem wichtig", sagte die Italienerin am Donnerstag am Rande des NATO-Außenministertreffens im türkischen Badeort Belek bei Antalya.

Besonders der Austausch von Informationen sei relevant.

Hauptziel des EU-Militäreinsatzes soll es sein, von Schlepperbanden genutzte Schiffe zu zerstören, bevor sie zum Transport von Flüchtlingen genutzt werden können. Als umstrittenen gilt, ob Einsätze in Libyen erst dann beginnen sollten, wenn sich die Konfliktparteien in dem Bürgerkriegsland auf eine Regierung der nationalen Einheit geeinigt haben. Länder wie Frankreich und Großbritannien wollen nach Angaben aus EU-Kreisen nicht darauf warten. Staaten wie Deutschland befürchten hingegen, dass Militäroperationen Friedensgespräche behindern könnten.

Juncker fordert Solidarität

Kommissionschef Jean-Claude Juncker teilte in einer Videobotschaft mit: "Wir müssen untereinander solidarischer sein." Derzeit würden Länder wie Schweden und Deutschland die meisten Asylbewerber aufnehmen. Die EU müsse diesbezüglich solidarischer werden, auch gegenüber Malta und Griechenland, wo die meisten Mittelmeer-Flüchtlinge ankämen.

Juncker verwies auf die beschlossene Verdreifachung des Budgets für die Mittelmeer-Missionen "Triton" und "Poseidon". Die EU müsse aber auch an Ort und Stelle besser die Ursachen der Migration angehen. So wolle man zusammen mit den afrikanischen Staaten die Schlepper bekämpfen.

Juncker machte auch klar, dass die EU ihr Budget für die Zusammenarbeit mit den Drittstaaten nicht mehr kürzen dürfe, sondern aufstocken müsse. Er verwies auch auf die demografische Entwicklung in Europa. "Wir brauchen Migration", sagte er.

Faymann kritisiert Briten

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) warb ebenfalls für mehr für Solidarität in Europa. Er "werbe" sehr darum, das Dublin-Prinzip um die Quote, wie man die Flüchtlinge in Europa aufteile, "zu ergänzen", sagte er am Rande der SPÖ-Präsidiumssitzung in Wien. Die sogenannte Dublin-II-Verordnung legt fest, dass jenes Land für den Flüchtling zuständig ist, in das er in die EU eingereist ist.

Die Vorschläge können nur Gesetz werden, wenn die Mitgliedssaaten mehrheitlich zustimmen. Dort, wo es kein Gemeinschaftsrecht der EU gebe, sei es eine "harte Angelegenheit", mit 28 Staaten zu einem Beschluss zu kommen, sagte Faymann. Solidarität sei aber einzufordern. Auf die Frage, ob es nicht beschämend sei, wenn Länder wie Großbritannien von vornherein Nein sagen, antwortete der Kanzler mit scharfer Kritik: Das sei "typisch für die Regierung in Großbritannien", auch bei anderen Themen wie Kernkraft sei dort "Solidarität eher ein Fremdwort".

May will Boote zurückschicken

Die britische Innenministerin Theresa May hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer künftig zurückzuschicken. Die EU solle sich darum bemühen, "sichere Landeplätze in Nordafrika zu schaffen, unterstützt durch ein aktives Rückführungsprogramm", schrieb May vor der Vorstellung der neuen EU-Flüchtlingsstrategie in einem Gastbeitrag für die "Times" vom Mittwoch.

Die Einführung verbindlicher Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen lehnte May ab. Das werde nur noch "mehr Menschen dazu ermutigen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen".

Tschechien, Polen, Baltikum, Slowenien gegen Quoten

Zuvor hatte der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka Kritik an den geplanten Flüchtlingsquoten geübt, dieser Kritik schlossen sich am Donnerstag weitere hochrangige tschechische Politiker an. Der ehemalige rechtskonservative Staatspräsident Vaclav Klaus forderte gar, dass "jeder Flüchtling, der hierherkommt, dorthin zurückgeschickt wird, woher er hergekommen ist".

Auch in den baltischen Staaten gibt es wenig Einverständnis für die Quotenregelung.

In Polen zeigte sich Vize-Außenminister Rafal Trzaskowski verweundert über die Entscheidung der Kommission. "Dazu gibt es derzeit keinerlei Zustimmung", betonte Trzaskowski am Donnerstag im Nachrichtensender TVN24.

In Slowenien, auf das laut Quotenregelung 207 neue Flüchtlinge fallen würden, zeigte sich Premier Miro Cerar skeptisch. Die vorgesehenen Quoten müssten in den nächsten Wochen erst einmal diskutiert werden, so Cerar. Am Rande des EU-Sondergipfels zur Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer im April hatte Cerar davon gesprochen, dass Slowenien zwischen 15 und 20 Flüchtlinge aufnehmen könnte. (APA, 14.5.2015)