"Urban Manufacturing liegt an der Schnittstelle von Kreativwirtschaft, Handwerk, Produktion und Gewerbe. Den Bereich der Großindustrie betrifft das nicht", sagt Veronika Ratzenböck, Direktorin der Österreichischen Kulturdokumentation. In Wien sei aber viel im Entstehen: offene Werkstätten, Coworking-Spaces oder Labs. "Hier werden neue Formen des gemeinsamen Arbeitens, Produzierens, Wohnen und Lebens erprobt", erläutert sie.

Besonders leerstehende Geschäftslokale, ehemalige Gewerbebetriebe oder Produktionshallen bieten sich an. Dabei können individuell angefertigte Produkte entstehen, quasi in der Nachbarschaft gefertigt, die hochwertig produziert sind und sich von industriell hergestellter Fließbandware absetzen. Logisch, dass das Urban Manufacturing vor allem in solchen Stadtteilen Wiens angedacht und mehr und mehr betrieben wird, wo es eine kaufkräftige Zielgruppe gibt.

So befindet sich beim Gumpendorfer Gürtel in der Nähe von Architektur- und Kunstateliers die offene Textil- und Modewerkstatt "Schnittbogen". Auch im Karmeliterviertel mit seiner lebendigen Kunst- und Kulturszene hat sich urbane Produktion angesiedelt: Das "Happy Lab" ermöglicht die Arbeit mit digitalen Technologien wie 3-D-Druckern und Lasercuttern. Der Verein "Kunstkanal", stellt unter anderem Werkstätten, Ateliers und Büros zur Verfügung.

Grätzelaufwertung

Nicht selten komme es in diesen Grätzeln auch zu Kooperationen zwischen Kreativen und traditionellen Handwerksbetrieben, die sich im innerstädtischen Bereich allein oft nur mehr schwer halten können, beschreibt Ratzenböck. "Mit der Kreativwirtschaft kommen normale Produktionsbetriebe zu einer Aufwertung."

Dass der Wiener Leerstand für solche gemischten, "hybrid" genannte Nutzungskonzepte Potenzial birgt, betont eine Studie von TU Wien und Österreichischer Kulturdokumentation im Auftrag von departure, der Kreativagentur der Stadt Wien.

Demnach könnten die vielen in Wien leerstehenden Erdgeschoßlokale günstig für Arbeit und Produktion genützt und dadurch die betreffenden Gegenden aufgewertet werden. Allerdings gibt es einige Faktoren, die dem entgegenstehen: Das Mietrecht erschwert Mischnutzungen, den Besitzern der Immobilien fehlt oft das Verständnis dafür. "Die Politik sollte hier die Regulierung lockern, Dimensionen aufmachen und Experimentieren ermöglichen", erklärt Ratzenböck.

Produkte, die so hergestellt werden, haben oft hohe Qualität und damit auch einen hohen Preis. "Da man hier nicht auf seriell gefertigte Massenware, sondern individuelle Einzelstücke setzt, bewegt man sich in einem gewissen Preissegment. Entsprechende Zielgruppen werden angesprochen", meint Rudolf Scheuvens, Fakultät für Architektur und Raumplanung an der TU Wien. (Valerie Uhlmann, 13.5.2015)