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Der griechische Premier Alexis Tsipras hat bei seinem Besuch in Berlin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, Spannungen abzubauen: "Das kam vielleicht schon zu spät," befürchtet Politologe Tsogopoulos.

Foto: AP Photo/Michael Sohn

STANDARD: Was sagt die Berichterstattung über die Regierung Tsipras in den europäischen Medien über das Bild von Griechenland aus? Was wird hier für die europäische Öffentlichkeit konstruiert?

Tsogopoulos: Ich glaube, das einzige Land, in dem noch positiv über Griechenland berichtet wird, ist Russland. Selbst in China sind die Berichte wegen des Streits um die Privatisierungsvereinbarungen ungünstig für Athen geworden. In den europäischen Medien ist das Bild von Griechenland natürlich negativ, aber mittlerweile ebenso in den USA. Dort zeigten sich die Medien in den ersten Wochen der Regierung Tsipras noch freundlicher und betonten die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum anstelle der alleinigen Fokussierung auf die Schulden. Das hat sich in den USA dann geändert mit dem Thema Terrorismus in Griechenland, der Freilassung von Savvas Xiros (Mitglied der Terrorgruppe 17. November, Anm.) und der Unfähigkeit der griechischen Regierung, mit der Troika zusammenzuarbeiten. Zum ersten Mal gibt es also – von Russland abgesehen – einen Konsens bei europäischen und internationalen Medien: Sie sehen Griechenland negativ.

STANDARD: Ist das auch gerechtfertigt?

Tsogopoulos: Es ist gerechtfertigt in dem Sinn, dass diese Regierung offensichtlich keinen Plan hat, wie sie mit den Kreditgebern umgehen soll. Stattdessen akzeptieren sie erst eine Übereinkunft mit der Eurogruppe – und distanzieren sich dann wieder davon.

STANDARD: Griechenland produziert immer Klischees und Vorurteile, andere Krisenländer der Eurozone wie Irland, Portugal, Spanien tun es nicht. Warum ist das so?

Tsogopoulos: Griechenland bietet selbst schon bizarr anmutende Dinge an, die Medien natürlich aufgreifen. Das jüngste Ereignis dieser Art ist die Wahl einer linksgerichteten Regierung, die es nirgendwo sonst in Europa gibt. Vergleicht man Griechenland mit anderen problematischen Euroländern, dann gibt es eine ganze Reihe von Praktiken wie etwa die Korruption, die ähnlich, aber weniger ausgeprägt erscheinen. Es ist offensichtlich leichter, prominente Fälle von Steuerhinterziehung in Griechenland zu benennen als zum Beispiel in Italien.

STANDARD: Die Berichterstattung über Griechenland in den deutschen Medien erscheint besonders laut und parteiisch.

Tsogopoulos: Deutschland hat mehr von den griechischen Schulden übernommen als jeder andere europäische Staat. Deutschland hat noch die größten Möglichkeiten, die europäische Schuldenkrise zu lösen, und bekommt es wohl stärker als andere zu spüren, sollte Griechenland tatsächlich aus der Eurozone fallen. All das beeinflusst natürlich die Berichterstattung über die griechische Politik und Wirtschaft.

STANDARD: Die Buchungen deutscher Touristen für Griechenland sind im März plötzlich um 26 Prozent im Vergleich zum Vormonat gefallen. In keinem anderen Euroland gab es das. Das dürfte wohl die Folge der negativen Berichterstattung über Griechenland in den deutschen Medien sein, oder?

Tsogopoulos: Das mag wohl wahr sein, aber die Berichterstattung in Deutschland war seit Beginn der Krise 2010 negativ und ist es geblieben, mit Ausnahme einer kurzen Zeit während der Regierung von Antonis Samaras – das Jahr 2013 über und die ersten Monate 2014, als Griechenland vorübergehend aus den Schlagzeilen war.

STANDARD: Als der deutsche Bundestag im vergangenen Februar über die Verlängerung der Kredithilfe für Griechenland abstimmte, rief das Boulevardblatt "Bild" seine Leser auf, mit Selfies gegen "neue Kredite" für die "gierigen Griechen" zu protestieren. Als Tsipras im April nach Moskau fuhr, schrieb die Tageszeitung "Die Welt" von Griechenlands "mittelalterlichem Systemfehler". Das Berliner Blatt machte die orthodoxe Kirche und das Fehlen der Aufklärungsepoche, die andere europäische Länder hatten, für die Mängel in Griechenland verantwortlich.

Tsogopoulos: Das sind die einfachen Lösungen, auf die Journalisten zurückgreifen, wenn sie schreiben und ihr Produkt verkaufen wollen. "Bild" war immer gegen Griechenland. Aber nochmals: Diese Art der Berichterstattung rührt von der Sorge darüber, was geschieht, wenn Griechenland nicht mit seinen Kreditgebern kooperiert und nicht in der Lage ist, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Medien in beiden Ländern arbeiten dazu noch wie kommunizierende Gefäße. Schauen Sie, wie Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble hierzulande präsentiert werden. Das beeinflusst natürlich auch die deutschen Medien und die Art und Weise, wie sie heute Griechenland betrachten. Tsipras und Merkel haben versucht, diese Spannungen abzubauen, als der griechische Regierungschef Berlin besuchte, aber das kam vielleicht schon zu spät. (Markus Bernath, 13.5.2015)