Die 1299er Panigale. Das neue Sportgerät des Hauses.

Foto: alexander seger

Die Scrambler: drängt nach vorn, bleibt aber immer am Boden.

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Zwei Zylinder mobilisieren 75 PS.

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160 PS machen hingegen die Multistrada 1200 ABS zum souveränen Reisebike.

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Hilfreich im Fall der Beschleunigung: die Traktionskontrolle.

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Es bedarf einer unendlich großen Portion Selbstbeherrschung, einem riesigen Kübel voll Gelassenheit, einem gewissen Maß an Neugier, vermutlich auch einem Esslöffel voll Feigheit und drei Containern voll Idiotie um an der Panigale 1299 vorbeizugehen – damit man mit der Scrambler fahren kann.

Die 1299er Panigale ist Ducatis neuestes Supersportbike mit 205 PS und einem Design, das den Leistungsdaten um nichts nachsteht. Die Scrambler ist Ducatis neueste Erfindung, und in Wirklichkeit in etwa halb so groß wie sie auf den Fotos wirkt. Es entbehrt also nicht einer gewissen Komik, wenn ein 190-Lackl – und he, ich meine die Größe, nicht das Gewicht – die Scrambler besteigt. Ein Wunder eigentlich, dass die Knie beim Lenken nicht im Weg sind.

Leicht fühlt sie sich auch noch an, die Scrambler. Man hat fast das Gefühl, ein Spielzeug zu bezwingen. Das ist alles so ganz anders, als etwa bei der Hypermoped – äh Hypermotard natürlich. Dort kommst du auch dann nicht mit den Füßen auf den Boden, wenn du deinen Ersatz-Haustürschlüssel in der Dachrinne versteckst.

Zwischen Moncycle und Bodenhaftung

Auf der Hypermotard sitzt man so weit am Vorderrad, dass man schon fast meint, das Hinterrad sei nur ein Stützrad für dieses motorisierte Monocycle – nein, ein atombetriebenes Einrad, das sich auch noch blitzschnell in die Luft erhebt, wenn man Gas gibt. Beängstigend. Und die Scrambler ist das genaue Gegenteil. Entspannte Sitzposition, Boden in Reichweite, und ein Vorderrad das nicht sofort in die Höhe steigt, wenn man niesen muss.

Und trotzdem reißt der 75 PS starke Zwei-Zylinder-Motor ordentlich an. So viel Drehmoment würde man dem 803 Kubikzentimeter großen Viertakter gar nicht zutrauen. Nach nur zwei Metern ist man eins mit der Maschine. Die komische Sitzposition ist schnell vergessen, die Verwunderung darüber, wie dieses Moped nach vorne drängt, überlagert alles. Und wäre da nicht die eine Kuppe gewesen, bei der ein historisch erwähnenswerter Luftstand bald das Einlenken verhindert und die Detonation unausweichlich gemacht hätte, würde ich vermutlich immer noch am Gasgriff drehen, als wäre das der einzige Sinn des Lebens.

Immer noch hoch

Auch wenn man es nicht gleich glauben will; die gelebte Leichtigkeit am Apex erdet einen ziemlich. Also zurück dorthin, wo Ducati die Motorräder des aktuellen Jahrgangs zum Testen, wie zu einer Perlenkette aufgefädelt, hingestellt hat. Kurze Sitzprobe auf der Hypermoped. Ja, die ist immer noch hoch.

Nach drei Runden, die ich, wie eine Katze, um die Panigale geschlichen bin, fasse ich mir ein Herz und schwinge mich drauf. Auf die neue Multistrada 1200 ABS. 160 PS. Mehr als das Doppelte der Scrambler. Wie auch der Preis. Die Scrambler kostet keine 10.000 Euro, die Multistrada gerade keine 20.000 Euro. Die Sitzhöhe ist auch fast die Doppelte. Wow, ist das angenehm. Den Schlüssel im Säckel, startet man die Reise-Duc ganz entspannt, ohne Fummlerei mit den Handschuhen am Zündschloss, über einen Knopfdruck.

Der L2 schiebt an

Bis ans Ende der Welt würde ich so reisen. Und ich wäre vermutlich morgen schon dort, würde ich durchfahren. Der 1200er-L2 schiebt an, dass es die reinste Freude ist. Kann man sich eh vorstellen: 209 Kilogramm trocken und 160 PS machen feuchte Augen. Die Traktionkontrolle passt auf, dass nix passiert, wenn man vor lauter Freude zu früh und zu engagiert ans Gas geht. Das Kurven-ABS schaut auf uns, wenns zum Bremsen ist. Obwohl, wirklich ausprobieren muss ich das System nicht. Es reicht, zu wissen, dass es da ist.

Vor Strafzetteln schützt es aber nicht. Schade eigentlich, denn mit der Multistrada, merke ich, ist man immer ein bisserl schneller unterwegs, als es erlaubt ist. Ein wenig erinnert die Multistrada an einen Luxuswagen, bei dem man vor lauter Komfort und Luxus gar nicht mehr merkt, dass man gerade mit einem guten Hunderter zu viel auf der Uhr, ganz gemütlich durch die Welt schießt. Das ist auf der Scrambler anders. Da spürt man die Geschwindigkeit, die man fährt.

Lob des Alters

Als ich gerade wieder um die Panigale tanze, wie einst Rumpelstilzchen um das Feuer, kommt gerade der Kollege mit der Scrambler zurück, der kurz zuvor noch die Panigale fuhr. "Lustiges Motorrad", sagt er, "Nur weißt, was ihr fehlt? Ein bisserl Leistung."

Es ist eine bittere Erfahrung, wenn dir mit einem Schlag klar wird, dass du alt wirst. Aber es ist eine Erleichterung, zu wissen, dass es trotzdem noch Motorräder für dich gibt. Egal ob sie nun, wie die Scrambler, so tun als wären sie gleich alt wie du, oder ob sie einfach nur viel Übersicht, Platz und Komfort bieten, wie die Multistrada – oder ein SUV. (Guido Gluschitsch, 11.5.2015)