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Die amerikanischen Behörden dürfen nicht ohne weiteres Daten absaugen, etwa diejenigen dieses U-Bahn-Passagiers in New York.

Foto: EPA/JUSTIN LANE

Die Richter des New Yorker Berufungsgerichts hatten ihr Urteil kaum verkündet, da sprach Mitch McConnell einmal mehr von der Stecknadel im Heuhaufen. Kippe man den Patriot Act, gebe es bald keinen Haufen mehr, in dem sich die Nadel finden lasse, warnte der Republikaner mit der Lieblingsmetapher Keith Alexanders, des früheren NSA-Chefs. Mehr noch: Hätten die Geheimdienste schon früher über einen solchen Informationshaufen verfügt, wäre 9/11 wahrscheinlich verhindert worden. "Der Patriot Act eignet sich ideal, um im Jahr 2015 der Terrorgefahr zu begegnen."

Der Demokrat Harry Reid, der Gegenspieler des konservativen Mehrheitsführers im Senat, sieht es ganz anders. Es wäre der "Gipfel der Verantwortungslosigkeit", würde man das Gesetz verlängern, bevor es am 1. Juni ausläuft, warnt er. McConnell wolle das Parlament zwingen, einfach fortzuschreiben, was von Justitia für illegal erklärt worden sei.

Die Schärfe des Wortduells lässt bereits erkennen, welch Machtprobe dem Kongress bevorsteht. Es dürfte die intensivste, kontroverseste Datenschutzdebatte werden, seit Edward Snowden dokumentierte, zu welchen Exzessen die Sammelwut der NSA führte.

Auf der einen Seite steht ein harter Kern der Konservativen, der jegliche Korrekturen ablehnt, der auf die gefährlichen Turbulenzen des Nahen Ostens verweist und im Übrigen in die Waagschale zu werfen versucht, was die Republikaner mit ihrem herbstlichen Wahlsieg 2014 an Gewicht gewannen. Wortführer sind McConnell und Marco Rubio, Senator aus Florida, der fürs Weiße Haus kandidiert. Andererseits verbünden sich nachdenklich gewordene Demokraten mit Republikanern der libertären Denkschule, die staatlicher Macht grundsätzlich misstrauen. Im USA Freedom Act, einer Novelle, die den Patriot Act de facto ersetzen soll, hat die ungewöhnliche Allianz ihre Ideen zusammengefasst.

Es läuft darauf hinaus, der NSA die Flügel zu stutzen, wenn auch weniger drastisch, als es die meisten Bürgerrechtler verlangen. Was die Kompromissfraktion vorschlägt, unterscheidet sich kaum vom Ansatz Barack Obamas, des US-Präsidenten, der unter dem Druck der Snowden-Enthüllungen auf die Bremse zu treten versprach. An der Spähoffensive im Ausland ändert der Freedom Act nichts: Es geht allein um die Privatsphäre amerikanischer Bürger. So soll das Sammeln telefonischer Verbindungsdaten eingeschränkt, sollen die Datensätze nicht mehr auf den Rechnern der NSA, sondern nur noch auf denen der Telekomanbieter gespeichert werden - und zwar nur für 18 Monate, während der Geheimdienst sie fünf Jahre lang aufbewahrte.

Plan für Gesetzesnovelle

Zu den Abgeordneten, die sich am stärksten für die Novelle ins Zeug legen, gehört James Sensenbrenner, ein Republikaner, der im Herbst 2001 federführend mitwirkte an den Schlüsselpassagen des Patriot Act. Heute sagt er, er habe sich nicht vorstellen können, wie unverfroren Leute wie Keith Alexander seine Formulierungen ausnutzen würden.

Im Kern dreht sich alles um den Paragrafen 215, der es den Behörden gestattet, Informationen zu sammeln, die sie für relevant halten, um Terroristen auf die Schliche zu kommen. Das Kabinett George W. Bushs legte das Wort "relevant" so breit aus, dass die NSA ausnahmslos alle Metadaten amerikanischer Telefonkunden sammelte - der viel zitierte Heuhaufen. Unter Obama änderte sich nichts, weder an der Praxis noch an den juristischen Krücken. Der Foreign Intelligence Surveillance Court mit seinen im Geheimen tagenden Richtern segnete praktisch alles ab, was ihm die Schlapphüte vorlegten, während von parlamentarischer Kontrolle keine Rede sein konnte.

Der Patriot Act, urteilte nun ein New Yorker Bundesgericht, habe der Regierung zu keiner Zeit die Handhabe für massenhaftes Datenhorten gegeben: "Das schiere Volumen der Informationen ist atemberaubend." (Frank Herrmann aus Washington, 8.5.2015)