70 Jahre Republik. Staatsakt mit Joachim Gauck und Heinz Fischer in der Hofburg.

70 Jahre nach der Befreiung Österreichs vom NS-Terrorregime durch die Alliierten hört man rund um den 8. Mai allerorts Parolen wie „Niemals vergessen!“ oder „Nie wieder“. Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner beteuern auf Social Media Kanälen wie wichtig das Gedenken an die Opfer sei und dass sowas wie der Nationalsozialismus „nie wieder“ passieren dürfe. Der Einwand, dass es doch gut sei, dass österreichische Politiker_innen endlich klare Statements abgeben, ist durchaus gerechtfertigt. Wissen wir doch, dass Österreich lange im Mythos „das erste Opfer des Nationalsozialismus“ gewesen zu sein, verharrte. Erinnerungspolitik bestand lange Zeit nicht aus aktiver Auseinandersetzung der Täter_innenschaft am NS-Regime, sondern hauptsächlich darin es zu verdrängen.

Österreich, du bist kein Opfer

Obwohl es in den letzten 30 Jahren aufgrund von zivilgesellschaftlichen Drucks zu einem „zarten Paradigmenwechsel“ in der österreichischen Erinnerungspolitik gekommen ist, muss es zum 1000. Mal wiederholt werden: Österreich, du bist kein Opfer. Du warst Täter. Genau ob dieser historischen Tatsache ist der 8.Mai ein wichtiger Tag. An diesem Tag muss vermittelt werden, dass dieser Opfermythos und Geschichtsrevisionismus ein für alle Mal ausgedient haben muss.

Heuchlerische Gedenkpolitik

Wenn man dann Theorie und Praxis der österreichischen Regierung bei Gedenkpolitik betrachtet, kommt ein beklemmendes Gefühl auf, es nennt sich Heuchelei. Wenn die Regierung ihre Parolen tatsächlich ernstnähme, dann würden viele Initiativen und Vereine, die sehr gute erinnerungspolitische oder –pädagogische Arbeit machen, nicht ständig ums Überleben kämpfen müssen. Diesen erinnerungspolitischen Vereinen gegenüber stehen sogenannte teils geschichtsrevisionistische „Traditions- oder Heimatvereine“ (Stichwort Kameradschaftsbund; z.B. in Kärnten der „Abwehrkämpferbund“), die mit öffentlichen Geldern subventioniert werden (und gerne mal gegen Kärntner Slowen_innen hetzen).

Demokratie und Bildung hilft

Weiters wird seit Jahren darüber diskutiert, wie und ob man politische Bildung als Schulfach einführen kann oder soll. Natürlich ist es eine schwierige Frage wie man Schüler_innen ein demokratisches (Selbst)Bewusstsein vermitteln kann. Wenn aber gleichzeitig von der Politik behauptet wird, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus nur durch Demokratie und Bildung zu überwinden sei, dann frag ich mich wie man dabei zuschauen kann, wenn junge Menschen sich nicht für Demokratie interessieren und sie auch nicht mitgestalten wollen, weil sie es nie vermittelt bekommen haben, was Demokratie bedeutet.

Jede_r gedenkt, niemand ist Antifa!

Was ich in der Auseinandersetzung mit erinnerungspolitischen Diskursen in Österreich allerdings am bemerkenswertesten finde, ist die konsequente Vermeidung und Benennung der Notwendigkeit antifaschistischen Protests. Wenn die Regierung die zu Anfang genannte Parole „Nie wieder“ ernst nähme, dann müsste eigentlich klar sein, dass es nach wie vor den antifaschistischen Widerstand gegen Rechtsextremismus benötigt.

Antifaschistischen Kräfte und staatliche Repression

Denn eins ist sicher: die Verdrängung der NS Vergangenheit hat dazu geführt, dass es eine zwanzig Prozent starke FPÖ in Österreich gibt. Die antifaschistischen Kräfte, die sich gegen die FPÖ und Rechtsextremismus wehren, werden stattdessen mit massiver staatlicher Repression konfrontiert.

Neben der Verurteilung des Antifaschisten Josef S., wird die einzig konsequente Kraft, die seit Jahren radikale Kritik an der österreichischen Verdrängungspolitik übt und den Akademikerball (ehemaliger WKR-Ball) als Vernetzungstreffen der rechtsextremen Elite Europas skandalisieren und sichtbar machen konnte, mit der Ermittlung zur terroristischen Vereinigung als vogelfrei erklärt und alle schauen zu.

Angesichts des Umgangs Österreichs mit Antifaschismus und der oberflächlichen Symbolpolitik, halte ich es mit Thomas Bernhard: „Letzten Endes kommt es nur auf den Wahrheitsgehalt der Lüge an.“ (Viktoria Spielmann, derStandard.at, 8.5.2015)