Die neue Volkstheaterdirektorin dankt für die Blumen: Anna Badora erhielt aus Anlass ihrer Programmpressekonferenz Unterstützung durch den Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny.

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Wien - Eine "Mission Impossible" sei ihr vorausgesagt worden. Ab Herbst möchte Anna Badora im Wiener Volkstheater, ihrer neuen Wirkungsstätte, "Grenzen durchbrechen". Noch vor Verlautbarung ihres ersten Spielplans stellte sich pünktlich ein Blumenkavalier ein. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny überreichte der Direktorin einen Strauß im unschuldsweißen Kreppmantel.

Badora, die nach neun Jahren das Grazer Schauspielhaus verlässt, krempelt das Volkstheater um. Ihr Ensemble wird 22 Schauspieler umfassen, zu denen sich zahlreiche Gäste gesellen. Im Haupthaus soll die Installierung einer Erdgeschoßtribüne für eine Verbesserung des Komforts sorgen. Die damit verbundene Reduktion der Sitzplätze von 970 auf 850 Stück ist für die Erhebung kommender Auslastungszahlen bestimmt nicht von Nachteil.

Querstehen möchte das Haus. Im neuen Logo schwebt das "o" von "Volkstheater", das umgedrehte "l" scheint seinen Nachbarn umgestoßen zu haben. Programmatisch bekennt sich die neue Leitung zur Stadtraumerkundung. "Blicke" sollen von allen Seiten auf Wien gerichtet werden. Haben die Wiener Glück, erhaschen sie ihrerseits Blicke nach draußen.

Start mit "Fasching"

Die Eröffnungsinszenierung besorgt die Direktorin selbst. Am 5. September hat die Dramatisierung von Gerhard Fritschs (1924-1969) radikalem Nachkriegsroman Fasching Premiere. Unter den Mitwirkenden befindet sich auch TV-Star Adele Neuhauser. Nach der Übernahme von Yael Ronens Erfolgsproduktion Hakoah Wien begegnet man am 12. September einer Produktionsüberarbeitung aus Düsseldorf. Dusan David Parizek bettet Ibsens Nora in ein szenisches Sandwich. Als Hälften des Sesamlaibchens fungieren jeweils Texte von Elfriede Jelinek.

Neben Hausregisseur Parizek gibt es einen anderen interessanten Regiezugang in Wien zu bestaunen. Volker Lösch inszeniert eine Variation auf die berühmte Studie Die Arbeitslosen von Marienthal. Der Marienthaler Dachs stammt aus der Feder Ulf Schmidts. Lösch wird aus realen Arbeitslosen einen szenischen Chor bilden (ab 25. September). Wiederum Parizek ist es, der sich Thomas Bernhards Prosa-Komödie Alte Meister annimmt.

Weitere Regiezugänge sind neben Puppenspieler Nikolaus Habjan Susanne Lietzow (Nestroys Zu ebener Erde und erster Stock) und der Vorarlberger Philipp Preuss (Romeo und Julia). Der Ungar Viktor Bodó bringt Tschechows Iwanow im März 2016 heraus. Einen Blick zurück aus der Zukunft wirft der syrische Kurde Ibrahim Amir auf die Votivkirchenbesetzer in Wien (Homohalal, ab April). Das dänische Kollektiv SIGNA verwandelt schließlich das Materiallager in der Faßziehergasse "in ein neues Universum" (Prospekt).

Schon im Dezember wird sich Yael Ronen des Themas des Gewaltexports annehmen (Überzeugungskampf). Einen kräftigen Modernisierungsschub bekommt auch das Theater in den Bezirken verpasst. Man treibt theatralische Feldforschung (Nachtschicht), erkundet Stücke von Yasmina Reza, Thomas Glavinic und Peter Handke (Selbstbezichtigung) oder nimmt sich der Sorgen des ehrbaren Fleischhauerstandes an (Koproduktion mit dem Theater im Bahnhof). Von nun an startet jede Bezirke-Tour im Spielort am Hundsturm, der neuerdings auf den schmucken Namen "Volx/Margareten" hört.

Ein echtes Kleinod verbirgt sich hinter dem Titel Das Wechselbälgchen. Maja Haderlap wird die Bühnenfassung der Christine-Lavant-Erzählung anfertigen. Und weil alle frohgemut in die Zukunft blicken, hofft man im Volkstheater auf eine Erhöhung der Subventionen (derzeit zwölf Millionen Euro). (Ronald Pohl, 7.5.2015)