Jaguar bringt mit dem XE ein Fahrzeug in der Premium-Mittelklasse und räumt im Segment gleich richtig auf. Er ist ein potenter Sportler mit Hinterradantrieb und bis zu 340 PS, aber auch ein galanter Charmeur. Allradantrieb kommt nächstes Jahr.

Entgegen allen Vermutungen stellt sich in der schnellen Rechtskurve heraus, dass Chris doch nicht bis zu den Ohren mit Beruhigungsmitteln angefüllt ist. Chris hat sich wohl gedacht, er hätte es geschafft, als er seine ersten Mücken als professioneller Rennfahrer von Jaguar bekommen hat. Jetzt sitzt die arme Haut auf dem Beifahrersitz des XE und betet. Nicht um sein Leben, wie zu erwarten wäre, sondern den Streckenplan runter. Gelassen, extrem freundlich. "Bremsen, früh einlenken" - "Lenkung auf und ans Gas" - "Hervorragend, großartig, und wieder hart anbremsen."

Foto: Jaguar

Nur als in der einen Rechtskurve das Heck kommt, greift er kurz ins Lenkrad und sticht die Drift ab. Er lächelt dabei freundlich und springt gleich wieder in sein Programm zurück. In dem bleibt er dann auch. Ganz egal, ob die 340 PS und die 450 Newtonmeter aus dem 3,0 V6 die Raubkatze fauchen und in 5,1 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h sprinten lassen oder ob die Eisen Tempo abbauen, dass man leicht einmal nur mehr Armaturenbrett sieht.

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Der stärkste Jaguar XE spielt sich mit den ihm gestellten Aufgaben auf dem Rundkurs. Leistung hat er genug. Vor allem weil der Wagen so leicht ist. Die Rohkarosserie besteht zu drei Vierteln aus Aluminium und wiegt nur 342 Kilogramm. Das spürt man in jeder Kurve, bei jedem Anbremsen. Das macht den XE agil. Der niedrige Luftwiderstand, das knackige Fahrwerk - vor allem die Aluminium-Integral-Einzelradaufhängung der Hinterachse - und die sportliche Gewichtsverteilung machen den XE zum Handling-Musterschüler in der Mittelklasse.

Mit dem XE betritt Jaguar neues Territorium (sofern man das Kapitel X-Type einmal ausblendet). So kompakt geht es bei Jaguar sonst nur im F-Type zu. Der übrigens dort und da, etwa bei der Geometrie der Vorderachse, als Vorbild diente. Aber egal. Wichtiger ist: Jaguar will mit dem XE neue Kunden ansprechen, solche, denen die Raubkatze bis jetzt eine Nummer zu groß war.

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Da haben die Briten die Rechnung ohne die österreichischen Kraftfahrzeugsteuern gemacht, könnte man meinen. Denn wer sich 340 PS in einem Mittelklassewagen leisten kann, hat bislang vermutlich auch schon zu Jaguar geschielt. Doch der XE ist auch eine Nummer kleiner sehr fein.

Der Einstiegsdiesel leistet 163 PS und kommt laut Normzyklus mit 3,8 Litern aus. Papierwerte. Vor allem bei einem Auto mit so einem Handling. Denn selbst mit diesem Motor ist der XE gut motorisiert - wenn man sich halt mit der Idee des Selbstzünders überhaupt anfreunden kann.

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Ein wenig Verständnis braucht man auch beim Interieur. Keine Frage, das ist hervorragend verarbeitet, und auch bei der Materialanmutung leistet man sich keine Schwäche - aber die Infotainment-Welt, die wird dem Premium-Anspruch nicht ganz gerecht. Das kann etwa Mercedes in der C-Klasse besser, da hat BMW bei der Bedienungsfreundlichkeit die Nase vorn.

Das breitere Lächeln, nach der Tour über die Hügel und Berge in Navarra, das zaubert aber der XE.

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"Ich hab ja gewusst, dass uns dieser Wagen gelungen ist", flüstert auf einmal Jaguar-Chef Ralf Speth, kurz nachdem er unweit von Pamplona aus dem XE S gestiegen ist, "aber dass er so gut geht, das hab ich nicht gedacht." Väterlicher Stolz ist ihm ins Gesicht geschrieben, dazwischen blitzt ein spitzbübisches Grinsen auf.

Ein ähnliches zeigte Chris nach unserer Bitte, doch auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen und zu zeigen, was der XE wirklich kann. Auch die künftigen XE-Besitzer werden dieses Lächeln zeigen. Sogar in der Werkstatt. Weil sie die ersten drei Jahre nichts für den Service zahlen. (Guido Gluschitsch, 7.5.2015)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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