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290.000 Frauen sterben durchschnittlich infolge von Geburt oder Schwangerschaft.

Foto: Reuters/JAMES AKENA

Die Möglichkeit, Kinder zu gebären, kann auch Leid und Tod bedeuten. Diese Tatsache hat am Muttertag aber keinen Platz. Er wird einzig im Zeichen des Mutterglücks begangen. Dass die Gebärfähigkeit nicht nur Freude bringt, hat in den westlichen Industrieländern zuletzt die Debatte über #regrettingmotherhood deutlich gemacht. Und dass Schwangerschaft und Geburt noch immer und vor allem für Frauen aus den Ländern des Südens lebensbedrohlich sein können, darauf macht jedes Jahr im Zuge des Rummels um den Muttertag die Plattform "Mutternacht" aufmerksam.

In Österreich macht die Initiative, an der Organisationen wie das Rote Kreuz, Amnesty International und Care beteiligt sind, seit 2011 auf die enorm hohe Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern aufmerksam. 290.000 Frauen sterben durchschnittlich infolge von Geburt oder Schwangerschaft. Mehr als die Hälfte dieser Frauen sterben an den Folgen von Abtreibungen, die unter schlechten medizinischen Bedingungen durchgeführt werden. "Vier bis fünf von zehn Schwangerschaften sind ungeplant", erklärt Andrea Wagner-Hager, Geschäftsführerin von Care Österreich, die Hintergründe der hohen Zahl an unsicheren Abtreibungen. Weltweit fehle zudem 200 Millionen Frauen der Zugang zu Verhütungsmitteln. Zudem mangle es aber auch an Informationen über Möglichkeiten der Familienplanung, sagt Wagner-Hager.

Sterberisiko für Schwangere

Eine Schwangerschaft kann aber auch für Frauen in der sogenannten ersten Welt lebensbedrohlich werden, vor allem für junge Frauen. In den USA liegt laut einer aktuellen Studie der Organisation Save the Children das Sterberisiko für schwangere Frauen zwischen 16 und 18 Jahren bei eins zu 1.800. Zum Vergleich: In Europa stirbt eine von 3.300 Frauen im selben Alter. Die USA haben generell das höchste Sterberisiko für Schwangere in Industrieländern – egal welchen Alters.

Für Wagner-Hager macht das deutlich, dass es nicht nur darum gehe, ein Gesundheitsservice anzubieten. Die Zahlen aus den USA würden zeigen, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht funktioniere und eine gesellschaftliche Grundstimmung herrsche, in der die Tabus über ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen noch groß sind. "Der ganze Themenbereich der Reproduktion hängt sehr stark an gesellschaftlichen Normen und Praktiken", so die Care-Geschäftsführerin.

Kinder, die Kinder bekommen

Besonders groß ist das Problem in Subsahara-Afrika, wo das Sterberisiko für Schwangere im Alter von 16 bis 18 Jahren bei eins zu 40 liegt. "In vielen afrikanischen Ländern trauen sich Mädchen nicht, Nein zu sagen, und werden schwanger, sobald es möglich ist, also mit 13 oder 14 Jahren", sagt Wagner-Hager dem STANDARD. "Wenn Kinder Kinder bekommen, erhöht sich das Sterberisiko enorm – sowohl für die Babys als auch für die Mütter." Und wenn es keinerlei Rückhalt aus dem sozialen Umfeld gebe, würde das die Situation nochmals verschärfen. Deshalb versuche Care mit Meinungsbildnern wie Priestern, wichtigen Menschen aus den Gemeinden und auch den Familien ins Gespräch zu kommen. "Wir müssen gegen bestimmte gesellschaftliche Strukturen arbeiten, etwa daran, dass Mädchen schon sehr früh heiraten."

Frauenrechte senken Müttersterblichkeit

Für Wagner-Hager liegt der Zusammenhang zwischen gestärkten Frauenrechten und einer niedrigen Müttersterblichkeit auf der Hand. "Dort, wo die Ungleichheiten – auch die zwischen Männern und Frauen – am größten sind, ist auch die Müttersterblichkeit am höchsten." Das betrifft aktuell vor allem afrikanische Länder, insbesondere Somalia, die Demokratische Republik Kongo und die Zentralafrikanische Republik.

Die UN haben als Entwicklungsziel bis 2015 eine Reduktion der Müttersterblichkeit um 75 Prozent festgelegt. Tatsächlich konnte sie bis heute nur um rund 45 Prozent gesenkt werden. 2015 sterben noch immer 33 Frauen pro Stunde, 792 pro Tag, weltweit an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt. Auch am Muttertag. (beaha, 7.5.2015)