Auch nach gefühlten hundert Jahren der Ehe ist man vor Überraschungen nicht gefeit. Bei dem Wort Downsizing beutelt es die Gnädigste für gewöhnlich ganz fürchterlich ab. Sie mag Sauger. Mit mindestens sechs Häfen. Dann ist ihr auch wurscht, ob die in einer Reihe stehen oder wie ein V eine gespreizte Tanzhaltung einnehmen. Diesel geht gar nicht, Frontantrieb nur, wenn er eine mechanische Sperre hat, sonst gilt bei ihr die Motorrad-Devise: antreiben hinten, lenken vorne.

foto: guido gluschitsch

Die nackerte 750er ist ihr am Ring beim Anbremsen vorne auf Block gegangen, und sie hat die Luft angehalten, bis ich ihr die Supersport gegeben habe, mit der sie dann Kreise um mich gefahren ist. Aber vor der giftgrünen Z300 kriegt die Schönste auf einmal glasige Augen. Sie geht leicht in die Knie, stützt die Arme auf die Oberschenkel, beugt sich in Richtung Zett wie in einen Kinderwagen hinein und singt ein: "Jawerbistdenndu? Du bist aber eine Süße."

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Zehn Minuten später klopft sie sich vor der Kawa den Staub aus dem Leder, wischt mit dem Halstüchl über das Visier und wirft mir so lange einen strengen Blick zu, bis ich ihr die Papiere und die Schlüssel aushändige. Und dahin sind die beiden. Die Gnädigste und eine 300er. Einer nackerten, giftgrünen Kawasaki mit einem 296 Kubikzentimeter großen Paralleltwin. Wissen Sie, was das heißt? Mit 39 hat die Kawa nicht einmal so viel mehr Pferde im Stall als die Schönste Jahre am Buckel. Wenn Ehejahre doppelt zählen – na lassen wir das.

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Natürlich kokettiert die Z300 damit, neben Neueinsteigern, auch Damen als Kunden anzusprechen. Dafür spricht die Sitzhöhe von 785 Millimeter, der 140er-Hinterreifen und die Maske. An letzterer erkennt man das reiche Zett-Erbe, von der legendären 1000er mit den vier Endrohren und der ersten 750er. Und trotzdem schaut die 300er deutlich freundlicher drein. Fesch sind auch die serienmäßigen Alu-Fußrasten und das Display.

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Der analoge Drehzahlmesser ist einfach abzulesen, das Multifunktions-LCD-Display zeigt neben der Geschwindigkeit auch die Kilometer, aber nicht die Gänge an. Dafür gibt es eine Tank- und eine ECO-Anzeige. Letztere zeigt an, wann man besonders ökonomisch unterwegs ist. Was man mit der Z300 eigentlich eh immer ist. Aber so leicht haben es sich die Kawasaki-Techniker dann doch nicht gemacht. Wenn man die Zett bis 13.000 Touren orgelt – und das macht man unweigerlich bei jeder Ausfahrt, dann ist doch nix mit ECO.

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170 Kilogramm wiegt die kleine Grüne fahrfertig. Gemeinsam mit dem schmalen Hinterreifen ist die Z300 so einfach zu fahren wie ein gscheiter Roller, obwohl die Nackerte deutlich agiler ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat Kawasaki zudem eine Anti-Hopping-Kupplung verbaut, und auch das ABS ist serienmäßig. Vorne reicht der 300er, wie erwartet, eine Bremsscheibe. Die ist dafür, wie bei den großen Kawas, im Petal-Design.

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Nach einer Stunde ist die Schönste wieder da. "Weißt, was mir fehlt?", fragt sie. "Leistung?", lautet die Gegenfrage. "Nein, a Geld fürn Sprit."Sie hat in der Eile sicherheitshalber das Geldbörsel vergessen. Wegen des Führerscheins kann es aber eh nicht gewesen sein, denn der ist auf der Z300 wohl nie in Gefahr.

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Da täuscht sich der Macho, sagt die Gnädigste, "denn die Z300 ist so einfach und so lustig zu fahren, dass man besser einmal öfter auf den Tacho schaut", bevor man ungfähr ins Blitzkastl spendet. "Von der Stadt bis in den Speckgürtel ist die Z300 ideal. Sie ist schlank, wendig und Leistung hat sie mehr als genug", meint die Gnädigste.

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Damit zählten zur Konkurrenz für die 5.499 Euro teure Kawasaki Z300 nicht nur die um rund 100 Euro billigere KTM 390 Duke, sondern auch die sportlicheren Roller wie der Yamaha XMax 400 (5.990 Euro), der Kawasaki J300 (5.500 Euro) und vielleicht sogar der Forza 300 von Honda (5.990 Euro).

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Wer neben dem Weg in die Arbeit auch die kleine Tour am Wochenende andenkt, wird mit der Z300 sicher besser bedient. Mehr Stauraum haben halt die Roller. Obwohl für ein "Jawerbistdenndu" muss es dann doch eine Vespa sein – und dort steigt man trotz Aktionspreis erst ab 5.899 Euro auf die GTS 300ie auf. (Guido Gluschitsch, 6.5.2015)

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