Es wird viel von ihr erwartet – sie soll die Hochschülerschaft (ÖH) stärken, die Wahlbeteiligung erhöhen und mehr Demokratie bringen: Die Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung wurde nach zehn Jahren wieder eingeführt. Bei der Wahl 2013 entsandten die Hochschulvertretungen die Mandatare in die Bundesvertretung.

"Ich werde zur ÖH-Wahl gehen, obwohl ich nicht glaube, dass die ÖH meine Interessen überhaupt vertreten kann. Sie hat zu wenig Einfluss. Ich schere mich aber nicht groß darum." Moritz Klingel (23) studiert Psychologie und Philosophie in Wien
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Ob die Direktwahl die Hoffnungen erfüllt, wird sich zeigen. Seit mehr als zwanzig Jahren geht etwa jeder Dritte zur Wahl - mit oder ohne Direktwahl. "Es gibt keine Vergleichsdaten. Es ist unklar, wie sich die Direktwahl auf die Wahlbeteiligung auswirkt", sagt Günther Ogris, Gründer des Meinungsforschungsinstituts Sora.

Rekordzahl bei Wählern

Verglichen mit 2005 gibt es mehr Hochschulen und Studierende, also mehr Wahlberechtigte. Heuer dürfen 325.000 wählen – eine Rekordzahl. Der Zuwachs an Wahlbeteiligten liegt auch daran, dass erstmals Unis, Fachhochschulen, Privatunis und pädagogische Hochschulen gleichzeitig wählen. "Dadurch ist die Wahl präsenter, und es ist mehr Interesse da", sagt Ogris. Auch das könne die Wahlbeteiligung erhöhen.

"Für mich ist die ÖH eine Gruppe ohne Namen. Ich habe sie nie als Teil der Studierendenschaft empfunden. Es gibt zu viel Parteipolitik und zu wenig Sachpolitik." Julia Strobl (49) studiert Kunstgeschichte in Wien
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Ogris meint zudem, dass die Beteiligung an jenen Hochschulen steigen werde, wo es bisher keine starken Vertretungen gegeben hat. "Es macht immer mehr Sinn zu wählen, wenn man alle Ebenen mitbestimmen kann", sagt Ogris.

Eine Möglichkeit die geringe Wahlbeteiligung, die 2013 bei 28 Prozent lag, zu erhöhen, sieht die ÖH in der Briefwahl. Erstmals können Studierende eine Wahlkarte beantragen und per Post die Stimme abgeben. Bis jetzt forderten, laut ÖH, rund 2200 Studierende eine Wahlkarte an. Noch bis 12. Mai können sie das tun. Bei anderen Wahlen habe es jedoch "keine Veränderung" bei der Wahlbeteiligung durch die Briefwahl gegeben.

Direktwahl im Ergebnis

"Der Pflichtbeitrag von 40 Euro im Jahr ist okay. Ohne Geld kann man nichts bewirken. Generell geht die ÖH gut mit dem Geld um. Ich glaube an das Gute im Menschen." Lisa Gmeiner (20) studiert Internationale BWL
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Hätte man an den Unis bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2013 direkt gewählt, wären Fraktionen mit einer Parlamentspartei im Hintergrund im Vorteil gewesen. Bei gleicher Gesamtmandatsanzahl würde die stimmenstärkste Fraktion, die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft, von 21 auf 23 Sitze anwachsen. Die Grünen und Alternativen Studierenden, der Verband Sozialistischer Studierender Österreich und die Junos würden jeweils zwei Mandate gewinnen. Im Gegensatz dazu würden die Fachschaftslisten von 17 auf 14 Sitze abstürzen. Ihre Mandate kamen bis jetzt vor allem von kleineren Universitäten und Kunstunis. Kleine Listen, die nur an einzelnen Unis ein Mandat für die Bundesvertretung holen konnten, wie etwa die Linzer Spaßfraktion No Ma'am würden gar kein Mandat bekommen und aus dem Studierendenparlament fliegen.

"Wenn Mandate beschickt werden, kommt es zu einer Verzerrung", sagt Ogris. Die Stimmen kleinerer Unis waren bisher mehr wert als jene von großen. Die Direktwahl sei ein "demokratiepolitischer Fortschritt".

"Als Drittstaatsstudent muss ich pro Semester 750 Euro zahlen. Die ÖH soll sich dafür einsetzen, dass alle Studenten gleich behandelt werden." Duc Phan (23) studiert Technische Physik in Wien
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"Wir haben uns bemüht, die Wahl insgesamt attraktiver und einfacher zu gestalten", sagt Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Durch die bisherige Struktur der ÖH-Bundesvertretung mit 100 Mandataren sei für die Wähler nicht mehr erkennbar gewesen, "wer was beziehungsweise wen vertritt und von wem bestellt wird". Daher wurde die Größe auf 55 Sitze verkleinert. "All diese Maßnahmen zusammen, sollten zu einer besseren Wahlbeteiligung führen. Jetzt liegt es an den Studierenden, dies zu nutzen", sagt Mitterlehner.

Je stärker die Legitimation der Studierendenvertretung ist, umso mehr Gewicht habe ihre Stimme bei der Vertretung der Interessen, meint Mitterlehner. Das gelte für alle Institutionen. An den Fachhochschulen sei die ÖH schon bisher stark vertreten, gewesen durch das neue Gesetz können erstmals auch Studierende an Pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten ihre Interessensvertretung wählen. "Das ist durchwegs positiv", sagt Mitterlehner.

Elf Fraktionen wollen ins Studierendenparlament

Mit der Wiedereinführung der Direktwahl können Studierende nach zehn Jahren ihre Bundesvertretung erstmals wieder direkt wählen. Das heißt, dass Studierende diesmal drei Stimmzettel in die Wahlkabine mitnehmen müssen. Sie wählen die Studienvertretung aus einem Pool von Kandidaten und Kandidatinnen. Drei bis fünf Personen je nach Größe des Studienfachs. Als zweites müssen sie sich für eine Liste auf der Hochschulebene entscheiden und neu dabei ist heuer der Stimmzettel für Bundesvertretung. Auf den beiden letzten Ebenen können Listen gewählt werden. Wenn man für die Uni, FH oder PH eine Liste ausgewählt hat, kann man trotzdem auf der Bundesebene eine andere wählen.

Die folgenden elf Fraktionen kämpfen um 55 Mandate im Studierendenparlament.

Jens Eipper von der Aktionsgemeinschaft beim Bier vor der Uni Wien.
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AG: Ausreichende Finanzen

Erstmals tritt die Aktionsgemeinschaft (AG) mit einem Team von Spitzenkandidaten zur ÖH-Wahl an: Jens Eipper, Lisa Schwenn und Peter Johannes Wiltsche. Für den Wahlkampf wendet die AG 30.000 Euro auf. Sie fordert eine "echte Studienvertretung", die sich mit "gezielten Serviceleistungen" einsetzt und nicht den "ÖH-Beitrag für die privaten Interessen" verwendet. Eipper will sich für eine "ausreichende Finanzierung der Hochschulen" einsetzen, um so mehr Plätze in Lehrveranstaltungen zu schaffen. Bei der Wahl 2013 bekam die AG die meisten Stimmen, kam aber nicht in die Exekutive der Bundes-ÖH.

Meryl Haas von der Gras repariert Räder vor dem Wiener Juridicum.
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Gras: Gratis-Öffis

Obwohl mehr Frauen als Männer studieren, werden sie weniger, je höher die Karriereleiter auf der Uni geht. Die Grünen und Alternativen Studierenden (Gras) wollen darum beim Unipersonal eine Frauenquote von 50 Prozent. Ihre Spitzenkandidatin Meryl Haas will "freie Bildung ohne Studiengebühren und Beschränkungen" und kostenlose Lernmaterialien. Gratis sollen auch die Öffis sein: Haas will ein österreichweites Studi-Ticket für 300 Euro jährlich durchsetzen. Der Gras-Wahlkampf kostet 40.000 Euro. Ihre Wähler beschreibt Haas als "Studierende, die ein freies, selbstbestimmtes Studium und Leben" wollen.

Lucia Grabetz vom VSStÖ lässt vor der Uni Wien Luftballons steigen.
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VSStÖ: Sorgenfrei studieren

Wohnen, Arbeiten und Beihilfen. Das seien die Themen, um die sich Studierende "die größten Sorgen machen", sagt Lucia Grabetz, Spitzenkandidatin des Verbands Sozialistischer Studierender Österreich (VSStÖ). Ihre Fraktion will eine Höchstgrenze für Mieten und ein besseres Beihilfensystem. "Dieses entspricht nicht mehr der Studi-Realität", sagt Grabetz. Viele arbeiten neben dem Studium, was sich oft schwer vereinbaren lässt. Deshalb will der VSStÖ den Status "Teilzeitstudium" einführen und weniger Anwesenheitspflicht bei Lehrveranstaltungen. Denn: Die VSStÖ-Wähler wollen ein "sorgenfreies und selbstbestimmtes Studium". Der VSStÖ hat mit 61.000 Euro das höchste Wahlkampfbudget - großteils werde es für Printmaterialien und Schulungen verwendet.

Philip Flacke von der Flö mit Buttons in der Hand vor der Uni Wien.
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FLÖ: Weniger Anwesenheit

Die Fachschaftslisten Österreich (FLÖ) sehen ihre Stärke in ihrer Parteiunabhängigkeit. Das Wahlkampfbudget ist daher gering: 450 Euro aus Privatspenden. Die lokalen Vertretungen finanzieren sich selbst. "Uns wählen Studierende mit vielfältigen politischen Einstellungen, die eine unabhängige ÖH wollen", sagt Listenerster Philip Flacke. Er fordert eine stärkere Vernetzung der lokalen Vertretungen und Flexibilität im Studium: weniger Anwesenheit und bessere Kinderbetreuung. Zudem will er die Drittelparität in allen Hochschulgremien: Studierende sollen so viele Stimmen haben wie Professoren und Mittelbau.

Magdalena Goldinger (zweite von links) mit dem Fest-Team vorm Bügelbrett auf der FH Campus Wien.
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Fest: Leben neben Studium

Die Fraktion engagierter Studierender (Fest) möchte Studierenden ein "Leben neben dem Studium" ermöglichen. Die Fest entstand im Jahr 2009, als die Fachhochschulen erstmals Mandatare in die ÖH-Bundesvertretung entsandten. Die Mandatare der FHs bildeten einen Klub und zogen in die Koalition ein. Als Liste, die noch immer vor allem von Studierenden der FHs und Pädagogischen Hochschulen gestellt wird, wünschen sie sich die "Gleichstellung aller Studierender in Österreich" sowie die "Durchlässigkeit und bessere Anrechenbarkeit von Lehrveranstaltungen zwischen den Hochschulsektoren". Wählen sollen sie alle, die sich eine "linke parteiunabhängige Alternative" wünschen.Ihre 700 Euro Wahlkampfbudget setzen sich aus Spenden von Privatpersonen zusammen.

Niko Swatek mit den Junos beim Kuchen verteilen vor dem Wiener Juridicum.
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Junos: Neustart der ÖH

Die Jungen Liberalen Studierenden (Junos) wollen der ÖH einen "Neustart" verpassen und "ideologischen Grabenkämpfe" beenden. Studierende sollen selbst über ihren ÖH-Beitrag entscheiden, und die Finanzen der ÖH sollen offengelegt werden. "Die Beiträge dürfen nicht länger verschwendet werden", sagt Spitzenkandidat Niko Swatek. Auch die Unis sollen ausfinanziert werden: Mit staatlichen Investitionen, Drittmitteln und nachgelagerten Studiengebühren. "Mit unserem Modell können Hochschulen autonom zwischen 0 und 500 Euro pro Semester einheben." Studierende, "die genug haben von unterfinanzierten Hochschulen und chaotischer Unibürokratie" sind ihre Wähler. 15.000 bis 20.000 Euro haben die Junos für den Wahlkampf zur Verfügung.

Felix Mayrbäurl mit dem RFS vor einem Wahlplakat bei einer Veranstaltung im Parlament.
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RFS: Koalition mit allen

Der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) hebt sich mit seinem Programm von den Forderungen anderer Fraktionen ab. Die zwei Hauptanliegen: Ende des "Genderwahns" und die Einführung von Studiengebühren. Der Liste, die vom Mitglied der schlagenden Burschenschaft Libertas Felix Mayrbäurl angeführt wird, geht es um "Leistung" und darum, "Studierende beim Studium zu unterstützen, unabhängig von der Weltanschauung", sagt der Maschinenbaustudent der TU Wien. Die Zielgruppe des RFS sind "bodenständige, konservative und leistungsorientierte Studenten aus dem deutschen Sprachraum", sagt Mayrbäurl.Mit einem Budget von 15.000 Euro geht der RFS in den Wahlkampf. Ziel ist, das Bundesmandat zu halten. Der RFS will mit allen koalieren, aber kaum eine Fraktion mit ihm.

Sonja Beier vom KSV vor dem Neuen Institutsgebäude in Wien beim Flyer yerteilen.
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KSV: Mehr als Service

Der Kommunistische StudentInnenverband (KSV) will Umverteilung, das Ende der Drittmittelfinanzierung, verbilligte Studi-Tickets für die Öffis, Gratislehrbücher und mehr sozialen Wohnraum. Der KSV richtet sich an "Studierende, die mehr erwarten als nur ein paar Serviceleistungen", sagt Spitzenkandidatin Sonja Beier. 8000 Euro Wahlkampfbudget kommen großteils von der KPÖ Steiermark.

Die Öffentlichkeitarbeiter Tina Sanders und Philipp Jung vom KSV LiLi hinter ihrem Stand vor der Uni Wien.
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KSV-LiLi: Keine Goodies

Andere Parteien gäben so viel Geld für Kugelschreiber aus, wie das gesamte Wahlkampfbudget des KSV-Linke Liste betrage, 2500 Euro, sagt man dort. Man halte nicht viel von Goodies, auch nicht von Spitzenkandidaten. Tina Sanders und Philipp Jung bezeichnen sich als "Öffentlichkeitsarbeiter". Einen Unterschied zum KSV gebe es bei Drittstaatsangehörigen: KSV-LiLi fordert deren völlige Gleichstellung.

Spitzenkandidat Philipp Jocham sind Studierende eigentlich egal.
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Die Liste: Satireprogramm

Einen "dynamischen Wahlkampf" will Die Liste führen. Sie ist der studentische Ableger der Satirepartei Die Partei. Spitzenkandidat Philipp Jocham setzt auf Aktionismus. Denn: "Unser gesamtes Budget ging für den ÖH-Beitrag drauf." Plakate gibt es dennoch - und diese fallen auf. Eines zeigt einen NS-Soldaten mit SS-Runen auf dem Kragen. Darüber steht: "Uni auflösen. Heimatschutz zuerst". Es ist eine Satirepartei, und dementsprechend fällt ihr Programm aus: "Unser langfristiges Ziel ist, Bildung zu überwinden, höhere Beihilfen für Lebererhaltungskosten und mehr Action im Studium: Erasmus an syrischen Hochschulen." Stimmen wollen sie von "all jenen, die zufällig an der Wahlkabine vorbeigehen"- auch von Nichtwahlberechtigten. Koalieren will Jocham mit allen, "außer mit Spaßparteien wie zum Beispiel den Junos".

Stulifes Spitzenkandidatin Azize Selikoglu will Deutschkurse für nichtdeutschsprachige Studierende.
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Stulife: Mehr Multikulti

Newcomer der Wahl sind Stulife. Spitzenkandidatin Azize Selikoglu will Deutschkurse für nichtdeutschsprachige Studierende, eine Krankenversicherung und leistbares Studienleben. Dafür fordert Selikoglu ein Mindeststipendium für jeden. Das soll etwa "die Finanzierung von Büchern oder Mahlzeiten" ermöglichen. Mit ihrem Programm würden Stulife "jede Studentin und jeden Studenten" ansprechen, da es "auf die Bedürfnisse von jedem eingeht". Auch die "multikulturelle Diversität" soll gefördert werden. Dabei könnte es zu Unstimmigkeiten mit anderen Fraktionen kommen. Koalieren wollen sie mit jenen Fraktionen, deren Werte "nicht den unseren widersprechen". Daher schließen sie den RFS und die Kommunisten aus. Stulife ist parteiunabhängig und finanziert sich über Spenden. (Oona Kroisleitner, Selina Thaler, 7.5.2015)