München – Im Betrugsprozess gegen Deutsche-Bank-Kochef Jürgen Fitschen und andere Top-Banker dehnt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf einen weiteren früheren Vorstand des Instituts aus. Wie Richter Peter Noll am Dienstag in der Verhandlung im Landgericht München erkennen ließ, steht nun auch Hermann-Josef Lamberti unter dem Verdacht des Prozessbetrugs.

Lamberti lehne eine Zeugenaussage ab und berufe sich dabei auf sein Recht, die Aussage zu verweigern, sagte Noll. Dieses Recht hat laut Gesetz aber nur, wer in der gleichen Angelegenheit ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist. Denn er muss sich nicht mit einer Aussage selbst belasten.

Die Deutsche Bank wollte sich zum Fall Lamberti nicht äußern, auch dessen Anwalt sowie die Staatsanwaltschaft lehnten eine Stellungnahme ab. Mehrere mit der Sache vertraute Personen sagten Reuters jedoch, die Strafverfolger beschuldigten Lamberti wie Fitschen des versuchten schweren Prozessbetrugs.

Die für den zweiten Prozesstag mit Spannung erwarteten Stellungnahmen der Angeklagten verzögerten sich zunächst. Die Verteidiger der fünf Spitzenbanker, darunter Fitschens Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer, warfen der Staatsanwaltschaft stattdessen vor, sie halte wichtige Unterlagen zurück. Die Strafverfolger beschuldigen die Banker, sie hätten vor Gericht gelogen, um eine milliardenschwere Schadenersatzklage des Medienmoguls Leo Kirch abzublocken und ihn damit um sein Geld zu betrügen. Der Unternehmer, der 2011 starb, hatte die Bank für den Zusammenbruch seines Firmenimperiums verantwortlich gemacht. Die Banker haben die Betrugsvorwürfe zurückgewiesen.

Acht im Fadenkreuz der Ermittler

Mit Lamberti sind im Fall Kirch inzwischen acht amtierende und frühere Vorstände von Deutschlands größtem Geldhaus ins Fadenkreuz der Ermittler geraten: Neben Fitschen, Ackermann und Breuer sitzen auch die Exvorstände Clemens Börsig, der von 2006 bis 2011 zudem Aufsichtsratschef der Bank war, und Tessen von Heydebreck auf der Anklagebank. Ermittlungen gegen den aktuellen Personalvorstand Stephan Leithner, der früher auch das Ressort Recht verantwortete, und den ehemaligen Vorstand Michael Cohrs hat die Staatsanwaltschaft bereits früher bestätigt.

Nach der Verlesung der Anklage vor einer Woche hatten die Verteidiger Erklärungen von Fitschen und Ackermann angekündigt. Breuer will zu den Vorwürfen vorerst schweigen. Fitschens Anwältin Barbara Livonius betonte nun, ihr Mandant werde sich nur unter einer Bedingung vor Gericht zu der Anklage äußern. Die Staatsanwaltschaft habe sich bei ihren Vorwürfen gegen Fitschen und die übrigen Angeklagten selbst widersprochen, monierte sie. "Vor der beabsichtigten Einlassung von Herrn Fitschen muss zweifelsfrei feststehen, worin die ihm zur Last gelegte Täuschung beruht."

Fairer Prozess behindert

Die Verteidiger warfen der Staatsanwaltschaft vor, sie halte unzulässigerweise Beweisdokumente zurück und behindere so einen fairen Prozess. Man könne nur rätseln, was für Informationen die Strafverfolger den Verteidigern verweigerten, sagte die Anwältin des früheren Bankchefs Josef Ackermann, Hellen Schilling. Die Ankläger wiesen die Vorwürfe zurück. "Die Staatsanwaltschaft hat niemals irgendwelche Aktenbestände zurückgehalten", sagte Behördenvertreter Stephan Necknig.

Gerson Trüg, der ebenfalls Ackermann verteidigt, forderte sogar eine Ablösung der zuständigen Staatsanwältin Christiane Serini, die die Ermittlungen und die Anklage leitet. Weil Serini in dem Prozess auch als Zeugin eingeplant sei, könne sie ihre Aufgabe als Staatsanwältin nicht mehr unabhängig wahrnehmen. Serini ließ sich am Dienstag von zwei Kollegen vertreten – vor Gericht ein üblicher Vorgang. Über eine Ablösung eines Staatsanwalts entscheidet die Anklagebehörde selbst.

Termin vertagt

Angesichts einer Flut möglicher Beweisdokumente kommt der Betrugsprozess gegen Deutsche-Bank-Kochef Jürgen Fitschen und weitere vier Topbanker langsamer in Gang als erwartet. Das Landgericht München will die Verhandlung erst am 18. Mai fortsetzen, um den Verteidigern Gelegenheit zum Einblick in weitere Akten und Computerdateien der Staatsanwaltschaft zu geben.

Der Termin am 12. Mai falle deswegen aus, sagte Richter Peter Noll zum Ende des zweiten Verhandlungstermins am Dienstag. (APA/Reuters, 5.5.2015)