Die Regierung hat sich und den Bürgerinnen und Bürgern des Landes endlich einmal eine Reform gegönnt – allerdings eine, die den Namen nicht verdient. Die vielgepriesene "Steuerreform" ist eine großangelegte Tarifentlastung, nicht mehr und auch nicht weniger, aber keine Reform des Steuersystems. Die eigentlichen Reformen, die das Land so dringend braucht, stehen noch aus. Und dieser Umstand sollte die Regierung gehörig unter Druck setzen.

Auch wenn es viele nicht mehr hören können: Verwaltungsreform. Es braucht eine solche, und zwar vom Bund herunter quer durch die Länder bis in die Gemeinden. Die Doppel- und Dreifachgleisigkeiten, die es vielfach gibt, gehören abgeschafft, der Aufwand gehört reduziert. Da ist man relativ rasch beim Föderalismus, der in Österreich herrscht und nicht nur Segen bringt. Bund und Länder verwalten die gleichen Angelegenheiten parallel zueinander – da ist die Schulverwaltung ein gutes Beispiel. In manchen Schulbehörden gibt es die Türschilder doppelt, einmal für den Bund, einmal für das Land; die Zuständigkeit ist dieselbe.

Oder die Mindestsicherung: Es gibt eine Vorgabe vom Bund, aber neun verschiedene Umsetzungen. Die Behörden agieren nach geografischer Verortung offenbar willkürlich und dehnen ihren Ermessensspielraum unterschiedlich aus. Je nach Bundesland werden bei gleicher Bedürftigkeit unterschiedlich hohe Beträge ausbezahlt. Darüber hinaus wird das grundsätzliche Ziel, einen Arbeitsanreiz zu schaffen und die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen, bei weitem verfehlt. Allerdings liegt es nicht an den Arbeitslosen oder den Arbeitssuchenden selbst. Es gibt die Jobs im Augenblick einfach nicht. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf Rekordniveau, Arbeitslose müssen immer länger nach einem Job suchen. Die Schulungen sind nicht zielführend, sondern oft Schikane oder Mittel zur kosmetischen Retusche der Zahlen.

Da ist nicht nur der Sozialminister gefordert. Was die Auswüchse des Föderalismus betrifft, hat jetzt vor allem Finanzminister Hans Jörg Schelling den Hebel in der Hand. Er verhandelt mit den Ländern den Finanzausgleich. Dabei geht es darum, wie 80 Milliarden an Steuergeldern zwischen den Gebietskörperschaften verteilt werden – Geld, das der Bund einnimmt und das von allen nach einem kaum nachvollziehbaren Schlüssel ausgegeben wird. Allein zwischen Ländern und Gemeinden dürfte es 50.000 Transferbeziehungen geben, das sind zusätzliche Bürokratiekosten im dreistelligen Millionenbereich. Ziel muss eine grundsätzliche Systemänderung sein, die Aufgaben der Gebietskörperschaften müssen klar definiert werden. Schelling scheint entschlossen, das angehen zu wollen, dabei könnte er gleich mit den besonders absurden Blüten des Föderalismus aufräumen. Immerhin: Wer das Geld hat, hat die Macht.

Schelling brauchte dazu aber die Regierungsspitze hinter sich, den Kanzler und den Vizekanzler. Und da möchte man verzweifeln: Mut ist hier keiner in Sicht. Nicht nur das. In zentralen Fragen, etwa bei der ebenso notwendigen Bildungsreform und der nicht minder notwendigen Reform des Pensionssystems blockieren die beiden einander. Der Aufwand, um eine Idee des anderen zu verhindern, ist vielfach größer als die Anstrengung, endlich einen Schritt zu setzen. Mut kann man nicht kaufen, leider. Da werden auch die 80 Milliarden Euro, die Schelling zu verteilen hat, nicht reichen.(Michael Völker, DER STANDARD, 5.5.2015)