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Der Polizeisprecher von Garland, Joe Ham, spricht nach dem Überfall auf den Mohammed-Karikaturen-Wettbewerb zu Medienvertretern. Lange herrschte Unklarheit über die Identität der beiden Angreifer.

Foto: EPA / Larry W. Smith

Die Reden waren gehalten, der Preis war verliehen, für eine Karikatur, die einen schwertschwingenden Propheten Mohammed zeigte. Sie war so gut wie beendet, die Veranstaltung im Curtis Culwell Center, als zwei Männer versuchten, auf den abgeriegelten Parkplatz zu fahren. Um verspätete Gäste konnte es sich kaum gehandelt haben, sagt Douglas Athas, der Bürgermeister von Garland, einer Satellitenstadt nordöstlich von Dallas. Aufpasser eines privaten Wachschutzes hätten den beiden den Weg versperrt, worauf sie aus ihrem Auto gesprungen seien und begonnen hätten, aus Sturmgewehren um sich zu schießen.

Einer der Sicherheitsleute wurde am Knöchel verletzt. Polizisten, die die Kongresshalle wegen der Mohammed-Cartoons bewachten wie eine Festung, erwiderten das Feuer; innerhalb von Sekunden hätten die Angreifer tot auf dem Asphalt gelegen, hieß es seitens der Behörden. Vorerst war jedoch nur bruchstückhaft bekannt, um wen es sich handelt.

Einer der Männer, ein gewisser Elton Simpson aus Phoenix, stand nach Angaben des FBI bereits vor fünf Jahren wegen Terrorverdachts vor Gericht. Angeblich wollte er nach Somalia fliegen, um sich Dschihadisten anzuschließen, was er damals bestritt. Letztlich bekam er drei Jahre bedingt. Später wurde der zweite Angreifer als Simpsons Zimmerkollege Nadir Soofi identifiziert.

Gaststar Wilders

Und Pamela Geller, um die es zuletzt ein wenig still geworden war, genießt einmal mehr ihre "fünf Minuten des Ruhms". Am Morgen nach dem vereitelten Anschlag lässt sie sich von einem Fernsehstudio zum nächsten schalten, schrill und polemisch wie immer. "Ich bin mir sicher, der Präsident wird sich bald zu Wort melden, um nochmals zu erklären, dass der ‚Islamische Staat‘ mit dem Islam nichts zu tun hat", spottet sie bei Fox News über Barack Obama.

Geller, eine Bloggerin aus Manhattan, hatte den Karikaturenwettstreit in Texas organisiert und den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders als Gastredner eingeladen. Jemand müsse die Fahne der Meinungsfreiheit hochhalten, die Medien übten ja Selbstzensur, sagte sie selbst. Die Medien beugten sich freiwillig dem Religionsdiktat der Scharia, wonach man den Islam "weder kritisieren noch kränken" dürfe.

Protest gegen "Ground-Zero-Moschee"

Es ist nicht das erste Mal, dass die New Yorkerin mit ihrer Lust an der Provokation im Rampenlicht steht. Als ein aus Ägypten stammender Unternehmer namens Sharif El-Gamal in der Nähe der zerstörten Zwillingstürme ein islamisches Zentrum samt Gebetssaal zu bauen gedachte, sprach sie entrüstet von der Ground-Zero-Moschee und trommelte zum Widerstand. Nur ein säkularer Muslim sei ein gemäßigter Muslim, sagte sie damals der New York Times, denn wenn gläubige Muslime "fünfmal am Tag beten, verfluchen sie Christen und Juden fünfmal am Tag".

Das Southern Poverty Law Center, eine von Bürgerrechtlern gegründete Juristeninitiative, führt Gellers American Freedom Defense Initiative seitdem unter der Rubrik "hate group" auf einer Liste von Organisationen, die mit Dünkel und Bigotterie Hass gegen ganze Bevölkerungsgruppen säen. Mal forderte Geller, den Felsendom vom Tempelberg in Jerusalem zu entfernen. Mal ließ sie sich demonstrativ beim Baden im Bikini filmen – "Seht her, das ist mein Tschador, das ist meine Burka".

Keine Tabuzone

Die Idee mit der Zeichnerprämie, 10.000 Dollar Preisgeld, verstand sie als Antwort auf eine Konferenz amerikanischer Muslime. Als das Blutbad in der Redaktion der Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo die Welt schockierte, wählte eine muslimische Stiftung, die Sound Vision Foundation (SVF), das Curtis Culwell Center als Tagungsort, um sich ohne Wenn und Aber von den Attentätern zu distanzieren. Man dürfe Terroristen nicht gestatten, sich des Namens des Propheten zu bedienen, um ihre Verbrechen zu rechtfertigen, fasste es SVF-Direktor Abdul Malik Mujahid in einem Satz zusammen.

Schrankenlose Freiheit? Oder Verzicht auf Provokation? Angesichts der verstörenden Szenen in Texas führt das Land einmal mehr eine Debatte, deren Grundton gleichwohl keinen Zweifel daran lässt, wie es ausgehen wird. Tabuzonen kennt Amerika nicht, die Verfassung garantiert das Recht, zu sagen, zu zeichnen, zu schreiben, was immer man will, und sei es noch so abstrus, noch so verletzend. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 5.5.2015)