Bild nicht mehr verfügbar.

Das Rennen um die Gunst der britischen Wähler geht in die Zielgerade. Blau, Gelb und Rot, die Parteifarben von Torys, Liberaldemokraten und Labour, schmücken diese Häuserzeile im Stadtteil Isleworth im Westen der Hauptstadt London.

Foto: Reuters / Toby Melville

Konfrontiert mit der Skepsis der Bürger und beflügelt von Wahlempfehlungen führender Medien gehen die britischen Politiker in den Endspurt zur Unterhauswahl am kommenden Donnerstag. Ihren letzten großen Fernsehauftritt vor der Wahl nutzten die Vorsitzenden der landesweiten Parteien am vergangenen Donnerstagabend für Appelle an ihre Stammwählerschaft.

Der konservative Premier David Cameron bekräftigte sein Versprechen einer Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft: "Das ist nicht verhandelbar." Oppositionschef Ed Miliband schloss ein Bündnis mit der schottischen Nationalpartei SNP aus und wandte sich tags darauf in Glasgow direkt an die Schotten: "Wenn Sie eine Labour-Regierung wollen, müssen Sie Labour wählen."

Die Umfragen deuten auf ein Patt hin. Während Torys und Labour je etwa 33 Prozent für sich verbuchen, kommt der bisherige liberale Koalitionspartner auf rund acht, die nationalpopulistische Ukip auf rund 13 Prozent. Das Mehrheitswahlrecht, gern als Garant für klare Verhältnisse gepriesen, würde wie schon 2010 keiner Partei die absolute Mandatsmehrheit von 323 Sitzen bringen. Zünglein an der Waage wird vermutlich die SNP, der ein Zuwachs von sechs auf 50 Sitze vorhergesagt wird.

Ohne Mehrheit: Kompromisse

Die mögliche Regierungsbeteiligung einer Partei, die erklärtermaßen das Land sprengen will, stellen Camerons Torys seit Wochen als schlimme Bedrohung dar. "Und dabei bleibt es", sagte Cameron am Freitag in Leeds. Milibands Distanzierung von den Nationalisten deutet darauf hin, dass Labour das Thema in den wahlentscheidenden Bezirken Mittelenglands zu schaffen macht. Der liberale Vizepremier Nick Clegg bezeichnete die Äußerung des Oppositionsführers als "dämlich: Wer keine eigene Mehrheit gewinnt, muss Kompromisse schließen."

Wie die beiden Anwärter auf das Amt des Premierministers durfte sich auch Clegg am Donnerstagabend 30 Minuten lang zur besten Sendezeit den Fragen des BBC-Studiopublikums im nordenglischen Leeds stellen. Während diese Sendung landesweit zu sehen war, strahlte der öffentlich-rechtliche Sender die halbstündige Debatte mit dem Ukip-Vorsitzenden Nigel Farage ausschließlich in England und wesentlich später am Abend aus. Zuschauer in Wales und Schottland erhielten je 30 Minuten mit den Vorsitzenden der walisischen beziehungsweise schottischen Nationalisten.

Das Publikum im traditionell zu Labour tendierenden Yorkshire setzte vor allem dem Chef der Arbeiterpartei zu. Miliband musste sich in immer neuen Variationen für die Politik der Labour-Regierung unter Gordon Brown (2007- 2010) rechtfertigen, dessen enger Mitarbeiter er gewesen war. Damals habe man die Banken nicht genug reguliert, räumte der 45-Jährige ein und warnte vor harten Sozialkürzungen der Torys.

Zankapfel EU-Referendum

Wie der Labour-Mann sprach sich auch Liberaldemokrat Clegg für den Verbleib Großbritanniens in der EU aus: "Wir sind stärker, wenn wir Dinge gemeinsam machen." Premier Cameron erinnerte an die schwierige wirtschaftliche Lage bei seinem Amtsantritt 2010: "Ich bitte Sie leidenschaftlich um die Chance, die Arbeit der vergangenen fünf Jahre zu Ende bringen zu können."

Rückenwind erhielt der Regierungschef am Freitag durch Economist und Financial Times: Beide Medien sprachen sich für ein Kreuz bei den Konservativen aus - trotz gravierender Zweifel wegen deren Europapolitik. "Der Austritt wäre ein Desaster, für Großbritannien wie für Europa", schrieb das Wirtschaftsmagazin. Während der Guardian für Labour votierte, präsentierte Rupert Murdochs Revolverblatt The Sun eine Doppellösung: Engländer sollen Torys, Schotten SNP wählen. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 2.5.2015)