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An einem guten Tag und mit etwas Glück kann Österreich jedem Gegner eine enge Partie liefern.

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Standard: Was bedeutet die Kapitänsrolle für Sie?

Raffl: Das ist eine Ehre, eine Auszeichnung. Aber ich werde das sicher nicht überbewerten, wir haben viele Spieler, die Kapitän sein könnten, viele starke Charaktere mit Führungsqualitäten. So gesehen wird das eine leichte Aufgabe für mich, weil ich viel Unterstützung bekommen werde.

Standard: Sie sind der einzige Spieler des Teams, der mit dem Schiedsrichter reden darf. Ist das die Hauptaufgabe des Kapitäns?

Raffl: Ich habe selten einen Schiedsrichter gesehen, der eine Entscheidung zurücknimmt. Mein Job ist es eher, darauf zu schauen, dass die Stimmung in der Mannschaft passt.

Standard: Eine Aktion wie bei Olympia, als einige Spieler zwei Tage vor einem entscheidenden Match über die Stränge schlugen, ist in Prag auszuschließen?

Raffl: Völlig auszuschließen. Wir verstehen uns alle gut, es gibt im Team keine Zweiklassengesellschaft. Wir wissen, dass wir nur als Einheit bestehen können. Das betrifft die Arbeit auf dem Eis, aber auch alles andere.

Standard: Als Kapitän sind Sie für die Kommunikation zwischen der Mannschaft und dem Management, dem Verband, zuständig. Auch hier gab's in der Vergangenheit manchmal Zores.

Raffl: Diesmal ist alles von vornherein geregelt, wir können uns voll auf den Sport konzentrieren. Ums Finanzielle geht es sowieso niemandem, im Team wird man nicht reich, man spielt auch nicht wegen der Gage für Österreich. Man spielt, weil es einen stolz macht.

Standard: Österreich bestreitet sieben WM-Partien, ist praktisch immer Außenseiter, nie Favorit. Soll man sich auf die wenigen Partien - gegen Frankreich, vielleicht Lettland, Deutschland - konzentrieren, in denen man auf dem Papier Chancen hat?

Raffl: Das wäre absoluter Blödsinn. Das Papier zählt gar nichts. Ich war einmal bei einer A-WM, 2011, als wir abgestiegen sind. Da haben wir unsere höchsten Niederlagen gegen Teams kassiert, die vermeintlich auf Augenhöhe waren, 0:5 gegen Norwegen, 2:7 gegen Weißrussland. Aktuell haben wir die Qualität, dass wir mit den Besten mithalten können, das haben wir in den Tests gegen die USA und Kanada gesehen. An einem guten Tag und mit etwas Glück kann Österreich jedem Gegner eine enge Partie liefern. Und sieben Spiele in zehn Tagen, das ist eine Belastung, die wir aushalten. Das sind wir gewöhnt.

Standard: Österreich wird oft als Aufzugsmannschaft bezeichnet, weil das Team seit Jahren zwischen A- und B-Gruppe pendelt. Sitzt das im Hinterkopf?

Raffl: Gar nicht. Wir sind eine sehr junge Truppe, die meisten spielen noch nicht lange im Team. Wir gehen in dieses Turnier und schauen von Tag zu Tag. Wir spielen noch nicht einmal Spiel für Spiel, wir spielen Drittel für Drittel. Ein gutes Drittel nach dem anderen spielen, das ist das Ziel. Diese Drittel sind wie Puzzleteile, die sich zusammenfügen, bis man das große Bild vor Augen hat.

Standard: Teamchef Daniel Ratushny ist auch Ihr Klubtrainer bei Meister Salzburg. Lässt sich das System, mit dem Salzburg eine so souveräne Saison gespielt hat, aufs Team übertragen?

Raffl: Das Spielsystem im Team ist praktisch das System von Salzburg, vielleicht mit dem Unterschied, dass wir gegen gute Teams etwas weiter hinten stehen. Es geht vor allem darum, dass defensiv immer alle fünf Spieler eingebunden sind und ihre Arbeit machen müssen. Nach vorne soll einfach, schnörkellos gespielt werden, wir sollen nichts Besonderes machen, aber viele Scheiben vors gegnerische Tor bekommen.

Standard: Nominell ist Österreich offensiv gut aufgestellt. Aber wie so oft war es schwierig, genügend Verteidiger zu finden. Woran liegt dieses traditionelle Manko?

Raffl: Wie viele heimische Verteidiger spielen bei den Vereinen tragende Rollen? Ganz wenige! Fast überall kommen ausschließlich Legionäre in Über- und Unterzahl zum Einsatz. Deshalb kann man österreichische Verteidiger von internationalem Format an einer Hand abzählen. Das ist ein ewiges Thema. Wenn sich daran etwas ändern soll, muss ein Impuls von der Liga kommen.

Standard: Vorbilder wären ja da, siehe Schweiz, siehe Norwegen.

Raffl: Das sind Nationen, die vor etlichen Jahren noch in unserer Reichweite waren. Aber die haben langfristig geplant, und man sieht, es hat funktioniert. Ein solcher Aufbau dauert halt vielleicht zehn Jahre, da darf man nicht immer nur für ein, zwei Jahre planen. Und man muss ganz unten anfangen, beim Nachwuchs - dort hat die Schweiz sehr viel investiert, das zahlt sich aus.

Standard: Beim Test in Wien wurde Kanadas Superstar Sidney Crosby noch geschont. Aber im letzten Gruppenspiel gegen Österreich sollte er dabei sein. Auch gegen Jaromir Jagr werden Sie spielen. Gibt es ein Match, einen Gegner, auf den Sie sich besonders freuen?

Raffl: Ich habe keine Liste erstellt, also steht auch niemand ganz oben. Es ist schon bewundernswert, dass Jagr mit seinen 43 Jahren noch immer auf diesem Niveau spielt. Aber ich freue mich auf jedes einzelne Spiel, die ganze Mannschaft freut sich. Wir können kaum erwarten, dass die WM für uns beginnt. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 2./3.5.2015)