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Tanzen, noch dazu künstlerisch choreografiert, ist in der Steiermark eine heikle Angelegenheit. Wer das Einstudieren nicht den Tanzschulen überlässt, kann mit dem Gesetz in Konflikt kommen.

Foto: AP/Natacha Pisarenko

Graz - Da mögen sich Verwaltungsexperten und Bundespolitiker noch so den Mund fusselig reden und anregen, dass die Landesgesetze - vom Bauwesen, der Raumordnung bis zum Umwelt-, Natur- und Jugendschutz - endlich harmonisiert werden. Die Länder stellen sich seit Jahren taub. Sie wollen weiter ihre eigenen Spielregeln bestimmen.

Und vielmehr: Manche Länder lassen sich immer neue Gesetze in ihren kleinen Herrschaftsbereichen einfallen. So zum Beispiel die Steiermark mit ihrem im Vorjahr beschlossenen "Steiermärkischen Tanzschulgesetz 2014", das jetzt, ein Jahr danach, die Folgen dieser Bürokratisierung der Tanzkultur offenbart.

Tanzen unter Strafe

"Ob Mitternachtseinlagen oder Polonaisen auf Maturabällen oder auch Tanzeinlagen auf Vereinsfesten: Das dürfen nur noch Tanzschulen machen", ärgert sich die freie Choreografin Manuela Katschner, die im südoststeirischen Riegersburg mit ihren 20 bis 30 Kolleginnen und Kollegen Jahr für Jahr von Gymnasiasten engagiert wird, Tanzeinlagen und Polonaisen einzustudieren.

Katschner im Standard-Gespräch: "Es ist eine Frechheit, dass man Schülern nun vorschreibt, wer mit ihnen ihre Balleröffnung einstudiert. Jetzt sind natürlich alle total verunsichert, niemand will eine Strafe riskieren."

Die insgesamt 28 Paragrafen umfassende, von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossene Gesetzesnovelle soll der "Wahrung und Pflege der steirischen Ballkultur unter Berücksichtigung von Traditionen und kulturellen Werten" und "Förderung des Gesellschaftstanzes und Tanzunterrichtswesens" dienen. Tanzen wird quasi verbeamtet: Titel und Abzeichen sind genau geregelt wie die Einrichtung eines "Verbands der Tanzlehrer Steiermarks". Ein wesentlicher Punkt: Es gibt auch Strafbestimmungen.

Grünen-Klubobfrau Sabine Jungwirth hatte bei der Beschlussfassung des Gesetzes kritisch angemerkt, dass die Landesregierung mit dem Gesetz doch nur die in der Kammer organisierten Tanzschulen und Tanzlehrer vor Wettbewerb schützen wolle. Manuela Katschner fürchtet jetzt jedenfalls um ihren Job, da Maturabälle nun nur noch Sache der Tanzschullehrer sind.

"Im Gesetzestext steht, dass Balleröffnungen nur Tanzschulen machen dürfen. Meine Polonaisen sind reines Gedankengut, sie sind eine künstlerische Tätigkeit und haben mit Gesellschaftstanz sehr wenig zu tun. Im Gesetzestext steht, man darf keinen Paartanz unterrichten, aber wie gesagt, meine Polonaisen sind mehr Show als Tanz. Wir leben im 21. Jahrhundert, die Jugend will kein langweiliges Herumgesteige. Sie wollen Action, Hebefiguren und Spaß", sagt Manuela Katschner.

Feuerwehrfeste betroffen

Das Gesetz führe sogar so weit, sagt die Choreografin, dass auch Maturanten selbst keine Mitternachtseinlagen mit Tanzpassagen einstudieren dürfen, ohne sich strafbar zu machen.

"Aus Protest", sagt Katschner, "fahren Schüler im grenznahen Bereich jetzt eben nach Slowenien, um dort tanzen zu lernen. Sie wollten sich diese Bevormundung nicht gefallen lassen." Aber das sei noch nicht alles, so Manulea Katschner: "Das Problem geht ja weiter. Alle Vereine, von der Feuerwehr bis zu den Sportlern, dürfen auf ihren Bällen Polonaisen mit Tanzeinlagen auch nicht mehr selber machen. Das wird noch einen ordentlichen Aufstand geben." (Walter Müller, DER STANDARD, 2.5.2015)