Bild nicht mehr verfügbar.

Nur Alphawellen bringen Erholung und schicken die Beta- und Gammawellen des Tages auf Pause.

Foto: APA/dpa/Maja Hitij

Salzburg – Die Kirchturmuhr hat schon drei Uhr geschlagen, doch er kommt nicht. Draußen wirft der Halbmond sein fahles Licht über die leeren Straßen. Kein Lärm stört. Trotz Müdigkeit, von Schlaf keine Spur. Und in nur drei Stunden wird der Wecker wieder klingeln. Wie soll man da den kommenden Arbeitstag überstehen?

Schlafstörungen sind ein weit verbreitetes Problem. Erhebungen zufolge leidet knapp ein Drittel der Bevölkerung zumindest gelegentlich daran, bei rund zehn Prozent tritt schwere Insomnie auf, mit negativen Auswirkungen im Tagesverlauf. Die große Häufigkeit ist dem Zeitgeist geschuldet, meint der Schlafforscher Manuel Schabus von der Universität Salzburg. "Die Menschen sind übererregt." Erhöhte Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft werden zum Dauerzustand. "Das Gehirn kann einfach nicht mehr abschalten", sagt der Wissenschafter.

Die Folgen werden unterschätzt

Mangelhafte Nachtruhe beeinträchtigt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Klingt einleuchtend? Anscheinend nicht für jeden. Kurzschlaf wird propagiert, wie Manuel Schabus bedauert. Topmanager berichten heroisch, sie kämen mit nur vier Stunden pro Nacht aus. Schon lange vor Sonnenaufgang wollen solche Helden der Arbeit bereits Sport treiben oder ihre Korrespondenz aktualisieren. Das Hohelied der Selbstoptimierung.

Doch das fordert unweigerlich ihren Tribut. Sie geht, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Geist. "Das Gehirn nutzt den Schlaf, auch um Information zu speichern und zu restrukturieren", erklärt Schabus. Wenn die Defizite zunehmen, kommen weitere Risiken hinzu. Manche chronisch Betroffenen entwickeln Depressionen oder Angstzustände.

Ganzkörperbeeinträchtigung

Auch Herz- und Kreislaufprobleme können auftreten, denn um tagsüber halbwegs wach zu bleiben, muss der übermüdete Körper ständig im Erregungszustand gehalten werden. Bei sehr lang anhaltendem Schlafmangel schrumpft mitunter sogar der Hippocampus, wie Schabus berichtet. Dieser Teil des Gehirns ist für Gedächtnis und räumliche Orientierung zuständig.

Schlafstörungen sind gleichwohl auch eine subjektive Erfahrung. Dauerhafte komplette Schlaflosigkeit ist physiologisch unmöglich, sagt Schabus. "Man würde schon nach einigen Tagen verrückt werden." Dennoch glauben viele Menschen, stundenlang wach zu liegen oder ganze Nächte kein Auge zuzumachen. Die Untersuchung im Schlaflabor zeigt allerdings ein anderes Ergebnis. Die Patienten schlafen durchaus, aber im Kopf kommen sie nicht zur Ruhe.

Diese unerwünschte Überaktivität lässt sich über Messung der Hirnströme sogar nachweisen. Sie zeigt sich im Elektroenzephalogramm, kurz EEG, als verräterische Beta- und Gammawellen. Ein Fingerabdruck der Rastlosigkeit, sozusagen.

Alphawellen bewusst initiieren

Beim gesunden, erholsamen Schlaf dagegen entstehen ganz andere Wellenmuster. Ihre Frequenzen liegen vor allem im Bereich zwischen 12 und 15 Hertz. Man bezeichnet sie als Alphawellen. Sie werden in einer Rückkopplungsschleife zwischen Thalamus und dem Kortex erzeugt. Damit verbunden tritt ein weiteres Signalmuster, die so genannten Schlafspindeln, auf. Die Außenwelt wird derweil ausgeblendet, sagt Schabus. "Das Gehirn geht in einen internen Betriebsmodus über." Und kann dabei bereits aufgenommene Informationen verarbeiten.

Schabus und sein Team untersuchen seit einigen Jahren, wie die Entstehung von Alphawellen bewusst initiiert werden kann, und ob sich dadurch die Schlafqualität verbessern lässt. Eine Pilotstudie hat diesbezüglich interessante Ergebnisse erbracht. Die Salzburger Forscher testeten den Einsatz eines Neurofeedback-Verfahrens an 24 Patienten im Alter zwischen 19 und 50 Jahren. Die Probanden wurden an das EEG-Gerät angeschlossen und sollten dann versuchen, über Gedankenspiele die Wellenmuster zu beeinflussen.

"Die Leute sehen ihre eigene Gehirnaktivität auf dem Bildschirm", erläutert Schabus. So kommt es zu einer instrumentellen Konditionierung, mit einem tiefen Entspannungszustand als erwünschtem Ergebnis.

Mehr Aktivitäten

Nach zehn Trainingseinheiten zeigte sich bei 16 der Versuchsteilnehmer tatsächlich eine Erhöhung der Alphawellen-Aktivität. Zusätzliche Tests deuten zudem auf eine Verbesserung der Gedächtnisleistung hin. "Für junge Erwachsene und Menschen mit leichten Schlafstörungen scheint dieses Neurofeedback-Verfahren ein guter Ansatz zu sein", meint Schabus.

Im Rahmen einer gerade abgeschlossenen größeren Studie für Patienten mit schweren Schlafdefiziten ließ sich eine Wirkung gleichwohl nicht objektiv nachweisen. Dennoch fühlten sich viele Probanden von Sitzung zu Sitzung besser. Offenbar gibt es, betont Schabus, auch "einen riesigen Placebo-Effekt." (Kurt de Swaaf, 2.5.2015)