Wien - Paavo Järvi und Piotr Anderszewski: ein harmonisches Gespann, die zwei. Beide exzellente Musiker, weil genaue, dringliche, fantasievolle Gestalter in jedem Moment. Durch ihre Routine strahlen sowohl der in Estland geborene Dirigent als auch der polnische Pianist auf der Bühne Entspanntheit aus. Den 52-jährigen Järvi kann man sich als akkuraten Gentleman mit putinesker Grundoptik vorstellen, seinen um sechs Jahre jüngeren Kollegen einen Tick smarter: Sasha light.

Wie der deutsche Popsänger musiziert auch Anderszewski ganz wundervoll: jedes Tönchen klassisch abgerundet bei Mozarts C-Dur Klavierkonzert KV 503. Vor dem Absinken in Richtung sedierendes Fahrstuhlmusikgeplätscher bewahrt ihn die Spontaneität, mit der er musiziert, als auch die Weite seiner gestalterischen Phantasie. Den dritten Satz, das Allegretto, geht der Pole nicht nur sehr lebendig an; er denkt ihn, so meint man, von der Bühne her, als szenisches Geschehen. Was ja beim Operngenie Mozart fast immer sinnvoll ist. Jubel und Bravi für den Konzerthaus-Stammgast.

Begeisterung nicht nur beim Publikum, sondern auch im Orchester dann bei Bruckners zweiter Symphonie (Fassung 1877). Es ist immer wieder wundervoll zu erleben, wenn ein Dirigent und ein Orchester gut miteinander können und das Orchester zum Kollektiv, besser noch: zu einem einzigen Wesen wird, welches dann wiederum quasi mit dem Dirigenten verschmilzt.

Dies ist am Dienstagabend im Konzerthaus der Fall. Der Musikdirektor des Orchestre de Paris und künstlerische Leiter der Kammerphilharmonie Bremen präsentiert einen durchhörbaren, tänzerischen, von Imponiergehabe befreiten Bruckner. Ähnlich licht und durchlüftet wie Robin Ticciatis Interpretation von Bruckners Vierter vor einer Woche, jedoch mit mehr Spannkraft und Fähigkeit zur Wucht. Ein großartiges Konzert, in jedem Moment. (end, DER STANDARD, 30.4./1.5.2015)