Die "Kältehilfe" brachte in Wien rund 500 Obdachlose durch den Winter. Es ist damit zu rechnen, dass viele davon nun wieder auf der Straße schlafen.

Wien – Roman lebt seit über zwei Jahren auf der Straße. "Wenn es nicht regnet, bin ich im Park", erzählt der 44-Jährige. Bei Schlechtwetter verbringt er seine Zeit in Bahnhofshallen oder Tageszentren. Der gebürtige Deutsche ist einer von 500 Menschen, denen die "Kältehilfe" der Stadt Wien in den vergangenen Monaten zugutegekommen ist. Seit Dezember hatte er durch sie einen Schlafplatz in einem Notquartier in der Wiener Grillgasse. Am Donnerstag laufen die zusätzlichen Mittel aus.

"Wir gehen davon aus, dass die Menschen auf der Straße landen", sagt Markus Reiter, Geschäftsführer der Obdachlosenorganisation Neunerhaus. "Es passiert Ende April nur, was jedes Jahr passiert: Die Winterhilfe läuft aus", sagt Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien: "Die Betroffenen wissen es längst. Es gab und gibt Rückkehr- und Integrationsgespräche mit Sozialarbeitern."

Von den 500 Leuten in den Zusatzquartieren seien 150 bereit, in ihren Heimatländern (Slowakei, Rumänien, Deutschland) einen Wiederanfang zu starten. "Sie haben Rückfahrttickets bekommen", sagt Klaus Schwertner, Generalsekretär der Wiener Caritas.

Wunsch nach Ausgleichsgeld

Dass durch das Ende der Kältehilfe mehr Obdachlose in den Wiener Parks übernachten werden, kann sich Hacker nicht vorstellen.

Die Kältehilfe nutzt vor allem in Wien lebenden Obdachlosen aus dem EU-Raum oder anderen österreichischen Bundesländern, für die die Wohnungslosenhilfe der Stadt Wien nicht zuständig ist. "Um die Situation der Obdachlosen aus anderen Bundesländern zu lösen, braucht es dringend eine Art des Finanzausgleichs", sagt Schwertner.

Durch die Unterstützung bekommen Obdachlose über den Winter einen Platz in einer Notschlafstelle. Einlass ist jeden Tag um 19 Uhr. Es gibt Essen und Aufwärmmöglichkeiten. Um sechs Uhr werden die Besucher geweckt, eine Stunde später verlassen sie das Quartier. "Die Winterhilfeplätze haben das Ziel, zu verhindern, dass Menschen auf den Straßen erfrieren", sagt Hacker. Die normale Obdachlosenhilfe solle Menschen wieder fähig machen, eine Wohnung zu finden.

Forderung nach Jahreshilfe

"Ich treffe Freunde und verbringe mit ihnen meine Zeit, der Tag vergeht eigentlich sehr schnell", erzählt Roman. Mit der Kälte gehe es schon irgendwie. Dass die Notversorgung mit Ende April ausläuft, kritisiert Reiter: "Es geht hier um Menschlichkeit und darum, Menschenleben zu retten." Das Neunerhaus, das selbst betreutes Wohnen und Übergangswohnungen für Obdachlose anbietet, fordert daher den Erhalt der zusätzlichen Notschlafstellen über das ganze Jahr. Das in Wien geltende Kampierverbot macht Reiter ebenfalls Sorgen: "Die Situation der Wohnungslosen wird dadurch noch prekärer gemacht, sie werden von ihren Schlafplätzen vertrieben und bestraft."

Wien gibt jährlich 60 Millionen Euro für die Obdachlosenhilfe aus, "das ist im internationalen Vergleich vorbildlich", sagt Hacker. Um auf die Situation der Obdachlosen hinzuweisen, lädt die Obdachlosenzeitschrift "Augustin" am Donnerstag zum "Solischlafen im Stadtpark". Hacker ist von der Aktion wenig begeistert: "Die Probeübernachtungsaktion im Stadtpark ist politisch unerträglich." Neben Sozialorganisationen rufen etwa auch die grüne Gemeinderätin Birgit Hebein oder der Kabarettist Gerald Fleischhacker zur Übernachtung im Park auf. (Irene Brickner, Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 30.4.2015)