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Die Angeklagten wurden aus der U-Haft entlassen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Einen Knalleffekt brachte am Mittwoch der Alijew-Prozess: Andreas Böhm, Vorsitzender des Geschworenengerichts im Mordverfahren gegen Alnur Mussajew und Vadim K. hat die Untersuchungshaft über die beiden Angeklagten aufgehoben.

Mit "widersprüchlichen Angaben aus Kasachstan" begründete er seine überraschende Entscheidung. So geht es beispielsweise um eine Verurteilung Mussajews vor einem Militärgericht in Kasachstan.

"Die dortigen Behörden haben uns die Auskunft gegeben, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist", sagt Christina Salzborn, Sprecherin des Landesgerichts. "Eine internationale Strafregisterauskunft hat dann aber gezeigt, dass es sehr wohl rechtskräftig ist."

Widersprüche in Gutachten

Offenbar nicht das einzige Detail, das Vorsitzenden Böhm misstrauisch gemacht hat. So waren im bisherigen Prozessverlauf auch widersprüchliche Zeugenaussagen zu hören, ein österreichischer Sachverständiger widersprach in wichtigen Punkten einem von Kasachstan beauftragten deutschen Gutachter.

Ein Gutachter, der zumindest ein Naheverhältnis zur Kanzlei von Gabriel Lansky hat, der die Witwen der beiden angeblich von Rachat Alijew, Alnur Mussajew und Vadim K. getöteten Bankmanager vertritt. So wurde der Experte auf Kanzleikosten im Privatjet zu einer Pressekonferenz in Kasachstan eingeflogen.

Die Untersuchungshaft wurde ursprünglich, wie bei Mord vorgesehen, obligatorisch verhängt. Dass die beiden nun freigelassen wurden, ist ein starkes Indiz, dass der Senat die Anklage in Zweifel zieht: Denn bei fremden Staatsbürgern wird gemeinhin Fluchtgefahr angenommen, was ein Haftgrund ist.

Kein dringender Tatverdacht

"Selbst wenn Haftgründe vorliegen, kann ein Richter die Haft aufheben, wenn er keinen dringenden Tatverdacht mehr sieht", erklärt Salzborn. Geplatzt ist der Prozess damit aber noch nicht: Denn auch wenn die Berufsrichter den Vorwürfen offensichtlich nicht glauben – die Geschworenen entscheiden alleine über Schuld oder Unschuld.

Die Anklage bezieht sich auf den Tod zweier Bankmanager: Sie sollen im Auftrag Alijews erdrosselt und verscharrt worden sein, da sie Firmenanteile nicht an den Ex-Botschafter übertragen wollten, behauptet die Staatsanwaltschaft.

Für die Verteidigung ist dagegen klar, dass die Vorwürfe von der kasachischen Regierung konstruiert sind. Alijew sei in politischen Gegensatz zu seinem Ex-Schwiegervater, dem jüngst mit 97,7 Prozent wiedergewählten Präsidenten Nursultan Nasarbajew, geraten.

Für Manfred Ainedter, Rechtsvertreter des in Haft verstorbenen Alijew, zeigt sich in der Entscheidung ein Skandal: "Die Staatsanwaltschaft hat jegliches Objektivitätsgebot verletzt", zürnt er. (Michael Möseneder, derStandard.at, 29.4.2015)