Das "holografische Prinzip" besagt, dass man für die Beschreibung unseres Universums möglicherweise eine Dimension weniger braucht, als es den Anschein hat. Was wir dreidimensional erleben, kann man auch als Abbild zweidimensionaler Vorgänge auf einem riesigen kosmischen Horizont betrachten.

Illu.: TU Wien

Wien - Wir kennen das Prinzip von Geldscheinen und Kreditkarten. Die darauf eingearbeiteten Hologramme sehen für uns zwar dreidimensional aus, sind aber flach. Der theoretische Physiker Daniel Grumiller von der TU Wien behauptet nun mit Kollegen, dass sich das Universum womöglich ganz ähnlich verhält - entgegen unserer Überzeugung, dass es eindeutig dreidimensional aussieht.

Dass es sich dabei nicht um eine abgefahrene Spinnerei handelt, ist durch die Zeitschrift sichergestellt, in der die neuen Erkenntnisse von Grumiller und seinem Team veröffentlicht wurden: den "Physical Review Letters", eines der prestigeträchtigsten Fachjournale der Physik.

Die Fortschritte der theoretischen Physik bringen es mit sich, dass die spektakulären Behauptungen der Wiener Forscher alles andere als leicht nachzuvollziehen sind. Das beginnt schon mit dem sogenannten holografischen Prinzip in der Physik, das die Grundlage von Grumillers Behauptung ist.

Information ist gleich Fläche

Die Vermutung dieses Prinzips besagt im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern, dass jede Information, die den Ereignishorizont eines Schwarzen Loches überschreitet, auf der Grenzfläche vollständig codiert wird, ähnlich einem zweidimensionalen Hologramm, das eine dreidimensionale Bildinformation enthält. In aller Kürze: Information ist gleich Fläche.

Ein Sonderfall des holografischen Prinzips wurde 1997 vom damals 29-jährigen Argentinier Juan Martín Maldacena formuliert, der heute am Institute for Advanced Study in Princeton forscht und als einer der führenden theoretischen Physiker seiner Generation gilt. Wie Grumiller "erklärt", stellte Maldacena damals die folgenreiche Vermutung auf, "dass es eine Korrespondenz zwischen Gravitationstheorien in gekrümmten Anti-de-Sitter-Räumen und Quantenfeldtheorien in Räumen mit einer Dimension weniger gibt". Schluck. Da tröstet es auch wenig, dass Maldacenas am Preprint-Server "arXiv" publizierter Text - die sogenannte "AdS-CFT-Korrespondenz" - mit rund 10.000 Zitierungen dort einer der einflussreichsten Artikel ist.

Hoffnung macht Grumilers Klarstellung, dass wir nicht in einem Anti-de-Sitter-Raum leben. Solche Räume sind nämlich negativ gekrümmt, was etwa bedeutet, dass Objekte, die man in gerader Linie wegwirft, wieder zurückkommen. Grumiller vermutete indes schon vor Jahren, dass ein ähnliches Korrespondenzprinzip auch für unser reales Universum gelten könnte.

Eine Bestätigung dieser Annahme ist ihm nun gemeinsam mit Kollegen aus Indien, Japan und Wien gelungen - und zwar am Beispiel der sogenannten Verschränkungsentropie von Quantenteilchen. Und bei dieser Rechnung wird es endgültig kompliziert. Halbwegs verständlich klingt dann ihr Endergebnis: Die Rechnung würde nämlich die Vermutung bestätigen, dass das holografische Prinzip auch in flachen Raumzeiten realisiert sein kann, sagt Max Riegler, Mitarbeiter in Grumillers Forschungsgruppe. "Es ist somit ein Hinweis für die Gültigkeit dieses Prinzips in unserem Universum."

Leben auf dem Hologramm

Damit ist freilich noch nicht bewiesen, dass wir tatsächlich auf einem Hologramm leben. Doch die Hinweise auf die Gültigkeit des Korrespondenzprinzips in unserem realen Universum scheinen sich zu verdichten. (tasch, DER STANDARD, 29.4.2015)