Premier Matteo Renzi lässt sich bei einem Termin zur Expo 2015 in Mailand mit Bürgern fotografieren. Die Umfragewerte sind weiter gut - doch in der Partei herrscht ein Nervenkrieg um das neue Wahlrecht.

Foto: Imago / Cesare Purini / Insidefoto

Eigentlich könnten sich im Partito Democratico (PD) alle entspannt zurücklehnen: Die gemäßigte linke Regierungspartei erfreut sich in Umfragen einer stabilen Zustimmung von 35 bis 40 Prozent und hat mit Premier Matteo Renzi einen jungen und charismatischen Chef - während die politische Konkurrenz orientierungslos vor sich hin dümpelt. Eine politische Dominanz, wie sie der PD unter Renzi ausübt, hat Italiens Linke noch kaum erlebt.

"Autoritäres Gehabe"

Doch in Wahrheit ist der PD eine Partei am Rande des Nervenzusammenbruchs. Stein des Anstoßes ist das neue Wahlgesetz, das sich im Abgeordnetenhaus 16 Monate nach seiner Präsentation durch die Regierung seit Dienstag endlich auf der Zielgeraden befindet. Die Vorlage hat die Partei zutiefst gespalten; der linke Flügel bekämpft es erbittert und wirft Renzi autoritäres Gehabe vor. Der Premier kontert, das Gesetz sei ausgiebig diskutiert und mit Mehrheiten beschlossen worden.

Die alte Führungsriege des PD, die vom "Verschrotter" Renzi abgelöst und in den letzten Monaten systematisch marginalisiert worden ist, versucht einen letzten, verzweifelten Aufstand. An vorderster Front gegen Renzi kämpfen Exparteichef Pier Luigi Bersani, die ehemaligen Premiers Massimo D'Alema und Romano Prodi sowie Enrico Letta. Dieser bezeichnete Renzi jüngst als "Methadon für Italien", als Ersatzdroge für echte Reformen.

Schlimmer als Berlusconi

Renzi nimmt die Herausforderung an. Als zehn Dissidenten der eigenen Partei drohten, in der beratenden Kommission gegen das Wahlgesetz zu stimmen, ersetzte Renzi sie kurzerhand durch Leute seines Vertrauens. Für parteiinterne Feinde ist er inzwischen das schlimmere Übel als Berlusconi, mit dem sie nun gegen das Gesetz gemeinsame Sache machen.

Renzi hat klargemacht, dass er aufs Ganze gehen wird und im Parlament bereit ist, zum Wahlgesetz die Vertrauensfrage zu stellen. Wie die Schlacht ausgehen wird, ist offen. In der Kammer verfügen der PD und seine Koalitionspartner auf dem Papier über 410 von 630 Stimmen. Um Renzi zu stürzen, müssten in einer Vertrauensabstimmung etwa 100 PD-Abgeordnete ausscheren. (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 29.4.2015)