Jonas Almquist und The Leather Nun aus Schweden erinnern sich auf ihrem Comeback "Whatever" an den Mopedrock der 1980er-Jahre.

Foto: Tallee Savage

Wien - Jonas Almquist eröffnet das Comeback seiner Band The Leather Nun mit einem gefährlichen Satz: "We were so young". Immerhin gilt es ja als erwiesene Tatsache, dass Menschen ab der Lebensmitte sicher keine blöde neue Musik hören wollen und lieber den alten Jugendzeiten hinterherweinen. Und tatsächlich wird mit sonor wie einst Lou Reed lispelnder Stimme wehmütig von früher berichtet, vom Traum, ein Rock-'n' -Roll-Star zu werden, vom starren Blick, den das Nachtleben macht, und Musik, Musik, Musik.

So viel Nostalgie müsste eigentlich unerträglich sein. Ist sie aber nicht. Wenn du glaubst, das ist jetzt zu viel, was du machst: Überspanne den Bogen völlig! Rock ist Triebabfuhr wie Übertreibungskunst. Immer schon gewesen.

Aufregung mit Gay-Pornos

Mit einem klassisch-stampfenden, nach Aufbruch und/oder Fluchtverhalten aus engen Verhältnissen klingenden Rock-'n'-Roll-Beat, wie man ihn schon vor einem halben Jahrhundert von Wall-of-Sound-Altmeister Phil Spector hören konnte, meldet sich ein weiterer Wiedergänger der 1980er-Jahre zurück.

Die 1978 in Göteburg gegründeten The Leather Nun veröffentlichten zwei Jahre später ihr Debüt Slow Death noch an der Schnittstelle von Punk und Industrial. Erschienen auf dem Industrial-Label der kontroversiellen britischen Antimusiker Throbbing Gristle, konnte das Album die BBC-Radioinstitution John Peel begeistern, der es regelmäßig in seiner Show spielte.

Dies und einige damals noch entschieden leichter zu erzeugende Aufregung wegen bei Konzerten auftretenden Stripperinnen oder im Bühnenhintergrund laufenden Gay-Pornos machten die Band bald auch international bekannt. Dazu kam, dass New Wave damals von der Rache der Rocker eingeholt wurde. Statt zackiger Rhythmik und schwarzen Anzügen meldeten sich Western-Boots, Bikerkutten und nicht so toll gepflegtes Haupthaar zurück. Led Zeppelin, The Doors und drogistisch verseuchtes Ungustltum im Stile Lou Reeds und The Velvet Underground hatte sich speziell abseits der großen Metropolen ohnehin immer gehalten.

Für immer retro

Das führte zum Gothic-Rock der Sisters of Mercy, zur Led Zeppelinelei von The Cult oder runderneuertem Blues- und Pub-Rock von Screaming Blue Messiahs oder den Godfathers. Und auch selten geduschter Glam-Rock von Bands wie Zodiac Mindwarp And The Love Reaction war nun wieder angesagt.

The Leather Nun schwammen damals ebenfalls in diesem stilistischen Brackwasser und profitierten vom grassierenden Retrotrend. Der historisch in diesem Zusammenhang gut informierte Jonas Almquist hatte im Gegensatz zur Konkurrenz einen Vorteil. In Songs wie Desolation Ave, Pink House oder Jesus Came Driving Along stürzte er sich einerseits voll ins alte, überladene Pathos des Rock. Andererseits bildeten Coverversionen wie Gimme, Gimme, Gimme von ABBA ebenso eine humoristische Erleichterung wie Almquists völlig überzogener schwedischer Akzent beim Singen der englischen, streng laut Rock-'n' -Roll-Klischees gedichteten Texte. The Leather Nun waren, gut austariert zwischen dickhosigem Hardrock und zärtlich mit S-Fehler gesungenen Balladen, einfach Klasse.

Nahtloses Anschließen

Nach den tollen Alben wie Steel Construction (1987) oder International Heroes (1988) kamen die üblichen Probleme mit Plattenfirmen, Richtungsstreitigkeiten und Umbesetzungen. In der Mitte der 1990er-Jahre war endgültig Schluss. Einige Comebackversuche blieben folgenlos.

Mit dem Album Whatever schließen The Leather Nun nun nahtlos an ihre alten Arbeiten an. Übervater Lou Reed kommt mit einer Coverversion von For the Love of your Eyes zu Ehren. Dazu setzt es ganz allgemein nicht ganz so spitz wie Nachbars Lumpi daherkommende Gitarrenriffs. Rock 'n' Roll, der Wilde auf seiner Maschin', ein wenig auch derzeit wieder schicker Noise-Rock ("I'm so tired of being mainstream!") - und jede Menge Streicher und Schubidu-Chöre bei den Balladen kommen natürlich auch zum Einsatz. Just like a Dream ist ein gelungen lebensmüder Song. Am Ende fahren wir während der Anbetung eines Candyass zur Hölle. Das ist himmlisch. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 29.4.2015)