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Die Zahl der jährlich benutzten Plastiksackerln soll von 200 auf 40 pro Europäer sinken.

Foto: APA/dpa/Christoph Schmidt

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In Osteuropa und Portugal werden nach Schätzungen die meisten Sackerln verbraucht.

Grafik: APA

Am Dienstag stimmte das EU-Parlament der novellierten Richtlinie zu Verpackungen und Verpackungsabfällen (94/62/EG) zu. Darin ist eine geplante Reduktion von Plastiksackerln enthalten, die zwischen 0,015 und 0,049 Millimeter dünn sind. In Zahlen bedeutet das, dass bis Ende 2019 90 Sackerln und bis Ende 2025 nur noch 40 Plastiksackerln dieser Sorte pro Kopf und Jahr von EU-Konsumenten verbraucht werden sollen.

Ausgenommen sind die sehr dünnen Sackerln unter 0,015 Millimeter, die in Österreich etwa in der Obst- und Gemüseabteilung aufliegen. Diese Beschränkung des neuen Gesetzes sorgte bereits im Vorfeld für Kritik von Umweltschützern. Für Hanna Simons von Greenpeace Österreich handelt es sich um "zu schwache Ziele in ferner Zukunft".

Klare Ziele oder Umweltsteuer

Die Richtlinie sieht vor, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten bis Oktober 2016 für Maßnahmen entscheiden. Zur Auswahl stehen zwei Optionen: Entweder werden verbindliche Ziele zur Reduktion formuliert oder bis Ende 2018 preisliche Abgaben eingeführt. Zudem ist eine Kombination aus beiden Maßnahmen möglich.

Die dänische Politikerin Margrete Auken, die für die Grünen im EU-Parlament sitzt, hat den Beschluss durch die Gesetzgebung gelotst. Montagabend, vor dem Beschluss, sprach sie mit Journalisten über den schwierigen Prozess. Dabei räumte sie auch ein, dass Kompromisse notwendig waren, um "diesen ersten Schritt zu setzen". Die Version, die nun beschlossen wurde, sei alles gewesen, "was sie bekommen konnte".

Auch für die österreichische grüne EP-Abgeordnete Ulrike Lunacek ist die Richtlinie ein Zugeständnis an Umweltpolitik, das "schwierig zu erreichen war", wie sie am Dienstag in Straßburg sagte. Doch gerade aktuelle Meldungen wie die Verschmutzung der Donau durch Plastikpartikel würden ihrer Meinung nach viele Menschen zum Umdenken anregen.

Neun von zehn Sackerln sofort im Müll

200 Plastiksackerln verbraucht im Schnitt jeder der 508 Millionen EU-Bürger pro Jahr, informierte Auken. 89 Prozent davon sind zudem nur einmal und rund 20 Minuten im Einsatz. Dabei handelt es sich zum Großteil um dünne Gratissackerln, die nun reduziert werden sollen. Spitzenreiter sind laut geschätzten Zahlen der EU-Kommission Estland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Slowenien, die Slowakei und Ungarn, mit einem Verbrauch von je 466 Plastiksackerln pro Jahr und Kopf, die nur einmalige Verwendung finden. Als Vorbilder gelten Irland und Luxemburg mit 18 Sackerln. In Dänemark und Finnland gebe es gar keine Gratis-Einwegplastiksackerln mehr. Genaue Erhebungen fehlen jedoch.

Die Besteuerung sollte sich laut Auken nach dem Preisniveau der Mitgliedstaaten richten und nicht vereinheitlicht werden. Einen Wettbewerbsnachteil erkennt sie darin nicht, da in anderen Bereichen Preisgestaltungen von Mitgliedstaaten ebenfalls unterschiedlich gehandhabt werden. Für Auken sind für alte Mitgliedstaaten beziehungsweise reichere Länder wie Österreich 50 Cent pro Plastiksackerl eine Möglichkeit.

Verschmutzung der Meere

Die meisten EU-Mitgliedsländer haben bereits Maßnahmen zur Reduktion gesetzt, die EU will die restlichen Länder nun dazu ermutigen, den Verbrauch drastisch zu beschränken. "Laut Schätzungen entstehen 70 Prozent der Meeresverschmutzung durch Plastiksackerln", sagt Auken. In der Nordsee seien wiederum 70 Prozent davon dünne Tragetaschen. Es gibt jedoch keine Erhebungen, wie viele davon die sehr dünnen Sackerln mit einer Dicke unter 0,015 Millimeter sind, die von der Regelung ausgenommen sind.

Entlastung für Einzelhändler

Laut Margrete Auken ist nicht nur die Umwelt ein Gewinner. Auch die Einzelhändler werden davon profitieren, dass sie Plastiksackerln nicht mehr kostenlos anbieten müssen. Die Vorteile für die Wirtschaft überwiegen laut Auken die Kosten der Implementierung des Gesetzes.

Irland zeigt, wie eine Umweltsteuer funktionieren kann. Seit März 2002 verlangte das Land 15 Cent pro Sackerl, seit Juli 2007 22 Cent. Der Verbrauch ging stark zurück. Statt 328 werden dadurch nur noch 18 Sackerln pro Jahr und Einwohner genutzt. Die administrativen Kosten liegen bei drei Prozent des Aufkommens, der große Rest des Geldes wird für andere Umweltprojekte verwendet.

Berichte zu "abbaubaren" Plastiksackerln

Zwei Jahre nach Einführung der Richtlinie wird die Kommission einen Bericht an den Rat liefern. Der erste Bericht wird sich mit sogenannten oxo-biologisch abbaubaren Plastiksackerln ("oxo-degradable plastic bags") beschäftigen. "Sie stellen sehr wohl eine Gefahr für die Umwelt dar, da sie in Mikropartikel zerfallen und nur zu keinen sichtbaren Verschmutzungen führen", sagt Auken. Die aktuelle Bezeichnung kann für Konsumenten irreführend sein. "Biologisch abbaubar" ist deutlich abzugrenzen von "oxo-biologisch abbaubar". Letzteres enthält Metallionen wie Kobalt, Eisen oder Zink, die die Oxidation in Kunststoffen beschleunigt. Die dadurch entstehenden Partikel sind nicht biologisch abbaubar.

"Es ist sehr bedauerlich, dass die EU-Kommission entscheidend dazu beigetragen hat, den Kompromiss abzuschwächen", kritisierte Ulrike Lunacek. Aufgrund massiven Lobbyings aus London zugunsten eines britischen Unternehmens habe das EU-Parlament ein Verbot der umweltschädlichen, besonders dünnen Oxo-Plastiksackerl nicht durchsetzen können, so die Grüne. Die Kommission muss nun zumindest eine Umweltverträglichkeitsprüfung dieser Oxo-Sackerl durchführen.

Ein zweiter Bericht wird schließlich das Problem der sehr dünnen Plastiksackerln behandeln, die noch nicht reglementiert werden, und soll auch hier Alternativen vorstellen. (Julia Schilly, derStandard.at, 29.4.2015)