In diesem Video kommen auch Angehörige von Gewaltopfern zu Wort.

Ministerio Sanidad, Servicios Sociales e Igualdad

Eine Faust zum Schlag erhoben, dahinter eine Frau am Sofa kauernd. Die Gewalt an Frauen nicht stereotyp oder verharmlosend darzustellen ist eine große Herausforderung für Medienschaffende. Nicht immer gelingt eine adäquate Darstellung.

Dutzende Beispiele in österreichischen Medien allein vom Frauentag am 8. März bis heute hat etwa der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) gesammelt. Von der "Verharmlosung von Gewaltdelikten" über die "Täter-Opfer-Umkehr" bis zur Darstellung von "Frauen als Sexualobjekte" reicht die unrühmliche Palette, die anlässlich der Vorstellung des neuen Leitfadens für Medien im Presseclub Concordia gezeigt wurde (dieStandard berichtete: Kampagne gegen die Bagatellisierung von Gewalt an Frauen).

Was aber kann konkret besser gemacht werden? Birgit Wolf, Sozialwissenschafterin, Genderexpertin und eine der Autorinnen, hat sich in ihrem Beitrag für den Leitfaden intensiv mit der "Macht der Bilder" auseinandergesetzt. Sie beruft sich dabei auf die berühmte Publizistin und Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels, Susan Sontag, die sie eingangs zitiert: "Bilder illustrieren nur, sie erklären nicht. Sicher, ein Foto kann zeigen, dass Menschen zu ungeheurer Gewalt fähig sind. Aber wer das nicht weiß, ist unverantwortlich naiv."

Sontag konstatiert vom Mittelalter bis zur gegenwärtigen fotografischen Berichterstattung einen "Appetit auf Bilder, die Schmerzen leidende Leiber zeigen", der fast so stark sei wie "das Verlangen nach Bildern, auf denen nackte Leiber zu sehen sind". Medien begegneten diesem Hunger mit einer Überrepräsentation von Bildern von Gewalt. In der Regel würden aber die komplexen Dimensionen und Kontexte von Gewalt an Frauen wie psychische, ökonomische und strukturelle Gewalt verschleiert.

Zukunftsweisende Darstellungen

Im Sinne der Gewaltprävention brauchte es erweiterte Diskurse, die "gesellschaftliche Zusammenhänge erklären und dementsprechende Handlungsoptionen, Strategien und Perspektiven aufzeigen". Was aber bedeutet das für die Bilder in den Medien? Es geht um unterstützende, zukunftsweisende Darstellungen, die "Frauen mit ihrem Durchhaltevermögen, ihrem Organisationstalent, ihrem Willen, mit der Situation fertig zu werden, ihrem unbändigen Mut, ihre Kinder zu schützen und sich aus der Gewaltbeziehung zu befreien", zeigen.

Birgit Wolf bringt in diesem Zusammenhang diverse Best-Practice-Beispiele, wie zum Beispiel den spanischen Dokumentarfilm "Heridas" (Wunden), der Porträts von "Survivor-Frauen" zeigt, die sich erfolgreich aus Gewaltbeziehungen befreit haben. Weiters nennt sie einen Youtube-Clip als Beispiel, in dem Angehörige wie der Sohn, der Bruder und der Freund einer vom Partner ermordeten Frau in einem Word-Rap erzählen, wie sie es verabsäumt haben, rechtzeitig solidarisch zu handeln. "Keine Bilder von verwundeten, passiven Frauen, sondern eindringliche Nahaufnahmen, Männer, die betroffen über ihr Versäumnis in die Kamera blicken", schreibt sie. Damit würde gezeigt: "Gewalt an Frauen geht uns alle an, auch das soziale Umfeld hat Handlungsoptionen zur Beendigung von Partnergewalt, es braucht Bestärkung und Unterstützung der betroffenen Frauen, sonst kann es tödlich enden. Es handelt sich nicht um ein individuelles, sondern um ein gesellschaftliches Phänomen."

Wie aber können zum Beispiel Tageszeitungen mit dem Problem umgehen? Bei Berichten von Gewalt an Frauen könnten zum Beispiel Bilder von Polizisten oder aktuellen Antigewaltkampagnen gezeigt werden. Frauen sollten "in ihrem gesamten Lebenskontext" gezeigt werden, also auf Bildern, die sie "in ihrer Verantwortung in Beruf und Gesellschaft" zeigen. Bei der Visualisierung sei darauf zu achten, dass Gewalt alle Frauen beträfe, "unabhängig von Alter, Status, Herkunft, Kultur oder Religion". Dies treffe ebenso auf die Täter zu.

Auch solche Bilder, die die Verantwortung von Männern zeigten, wie in dem zuvor erwähnten Videoclip, sollten bewusst recherchiert und gezeigt werden. Der Schutz der Privatsphäre solle unbedingt gewahrt werden. Mit Opferschutz im Medienrecht beschäftigt sich ein eigenes Kapitel von Medienrechtsexpertin Maria Windhager.

Trolle nicht füttern

Dem Kapitel verbaler Gewalt in Onlinemedien widmet sich ein Beitrag von STANDARD-Redakteurin Irene Brickner. Wie bei allen Kapiteln folgen auf eine fundierte Darstellung der Problemlage auch konkrete Handlungsempfehlungen: im Falle eines frauenfeindlichen "Shitstorms" zum Beispiel "Konter geben" (konzentriert und konzertiert), "rasch handeln" (beleidigende Postings rasch melden und entfernen lassen), Trolle anzeigen und im Notfall vorübergehend Foren sperren. (Tanja Paar, dieStandard.at, 29.4.2015)