Am 16. Jänner wurde vor dem Café Prückel gegen Homophobie demonstriert. Ein Teilnehmer wurde im Anschluss verprügelt.

Foto: Heribert Corn

Korneuburg – Richter Franz Furtner hat für den 17-jährigen Angeklagten N. einen recht guten Rat: "Sie sollten sich vielleicht lieber um eine Ausbildung kümmern, als einen absurden Hass gegen Minderheiten aufzubauen!"

Der angesprochene Teenager, der vor Furtner sitzt, muss sich wegen schwerer Körperverletzung und Nötigung verantworten. Er soll mit zwei Mittätern nach einer Demonstration einen Homosexuellen verprügelt haben.

Die Geschichte beginnt eigentlich Mitte Jänner mit dem öffentlichen Kuss zweier Frauen im Wiener Café Prückel. Die dortige Chefin warf die Lesben aus dem Lokal, was am 16. Jänner zu einer Demonstration vor der Gaststätte führte.

"Er hat vor der Polizei gestanden, dass er eine Abneigung gegen Homosexuelle hat und sich ,das Gequatsche' anhören wollte", sagt Staatsanwältin Elisabeth Böhm in ihrem Eröffnungsplädoyer.

Faustschläge im WC

N. hörte, anschließend folgte er mit zwei anderen einer Gruppe Demoteilnehmer zu einem nahen Einkaufszentrum. Als die Verfolgten die Toilette aufsuchten, blockierten die Angreifer deren Eingang. Der Versuch, das WC zu verlassen, endete für das Opfer mit Faustschlägen ins Gesicht und einer Nasenprellung.

Ganz scheint der fast kahlgeschorene Angeklagte seine Aggressionen immer noch nicht unter Kontrolle zu haben. "Reicht schon wieder!", fährt er die Fotografen an, die ihn ablichten. Dann gibt er sich aber zerknirscht, als er sich schuldig bekennt.

"Ich habe dort zufällig zwei Jungs kennengelernt, wir haben ein paar Bier getrunken", erzählt er über den Tattag. Dann sei man der Gruppe mit dem Opfer nachgegangen. "Warum?", will der Richter wissen. "Weil sie Homo ...", beginnt der Angeklagte, "... weil sie homosexuell sind", beendet er den Satz.

Sein Motiv? "Weil ich halt gegen sowas bin." – "Machen Sie das öfter?– "Nein. Das war das erste Mal." Nach kurzer Pause: "Und das letzte Mal."

Vormerkungen, aber keine Vorstrafen

Vorbestraft ist er zwar nicht, Richter Furtner hält ihm aber seine zahlreichen Vormerkungen vor: Körperverletzung und Sachbeschädigungen waren Ursachen hierfür.

Laut Jugenderhebung trieb sich N. im Umfeld rechtsextremer "Fans" des Klubs Austria Wien herum. Ein Antiaggressionstraining wird empfohlen. "Das würde mir sicher nicht schaden", gibt der Ausbildungs- und Arbeitslose zu. "Das glaube ich auch", sagt der Richter.

Das Opfer tritt im Cut auf; sein Dresscode, wie er nach der Verhandlung sagt. Am Tattag hatte er bei der Demo auch eine Regenbogen-Schärpe um, möglicherweise ein Beweggrund, warum N. und seine Komplizen genau ihn attackierten.

Ob er Schmerzensgeld wolle, fragt Furtner den Zeugen, nachdem der den Vorfall nochmals geschildert und den Angeklagten als Angreifer identifiziert hat. "Ja, aber ich habe keine Vorstellung, was man fordern kann."

500 Euro Schmerzensgeld

Dem Richter schwebt ein durchaus großzügiger Betrag vor. Laut Judikatur sind 110 Euro für einen Tag mit leichten Schmerzen angemessen. "Ich würde 500 Euro vorschlagen", sagt Furtner, da sei auch die psychische Belastung inkludiert.

Von N. will der Richter wissen, ob die Summe anerkannt wird. "Ich sehe nicht ein, warum ich das alles zahlen soll", hört er als bockige Antwort. Er habe ja nicht allein zugeschlagen. "Das ist dann Ihr Pech, wenn sie die anderen nicht kennen", kontert ihm der Richter.

Im Schlussvortrag führt Anklägerin Böhm diese Unwilligkeit als Beleg dafür an, dass Reue und Schuldeinsicht enden wollend sind. Vor allem eines stößt ihr auf: "Die im Strafrecht vorgesehenen besonderen Erschwerungsgründe werden selten angewendet. Hier muss es sein. Wir haben Meinungsfreiheit, aber die Grenze ist, sobald Gewalt ins Spiel kommt", kritisiert sie das homophobe Tatmotiv.

N.s Verteidiger versucht das hinunterzuspielen, sieht "keine ideologischen Gründe, sondern eine übliche Meinungsverschiedenheit unter Jugendlichen".

Bei Furtner findet er damit kein Gehör. Bei einem Strafrahmen bis zu 1,5 Jahren verurteilt er den 17-Jährigen nicht rechtskräftig zu sechs Monaten bedingter Haft. Dazu kommen Bewährungshilfe, die Auflage für das Antigewalttraining und die Verpflichtung, dem Opfer 500 Euro zu zahlen.

In seiner Urteilsbegründung findet der Richter ungewöhnlich klare Worte: Was N. gemacht habe, "ist eine Sauerei, das ist abzulehnen. Da muss der Rechtsstaat eingreifen." (Michael Möseneder, derStandard.at, 27.4.2015)