Muss sich vor Gericht erklären: Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen.

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Jürgen Fitschen mag und kann sich nichts vorwerfen. "Ich habe weder gelogen noch betrogen", sagt der Co-Chef der Deutschen Bank. Aber natürlich beschäftigt ihn jener aufsehenerregende Strafprozess, der am Dienstag in München vor dem Landgericht beginnt. "Das Fatale ist, dass einen manche schon vorverurteilen", klagt er im Stern. Und: "Es wird jetzt ein bisschen ungemütlich."

Gemeinsam mit Fitschen sitzen seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie der ehemalige Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck auf der Anklagebank. Der Staatsanwalt wirft ihnen schweren Betrug vor. Fitschens Problem: Die vier letztgenannten sind alles "Ex-Bankleute". Er jedoch ist der amtierende Chef der Deutschen Bank.

Rechtsstreit mit Kirch-Erben

Im Prozess geht es um eine alte Geschichte, die den Bankenprimus nicht loslässt: der jahrelange Rechtsstreit mit dem Medienunternehmer Leo Kirch (und nach dessen Tod 2011 mit den Erben). Kirch war nach seiner Pleite 2002 überzeugt: Breuer, der damalige Chef der Deutschen Bank, sei für die Insolvenz verantwortlich, da er die Kreditwürdigkeit Kirchs öffentlich in Zweifel gezogen hatte. Es folgte ein Mammutverfahren um Schadenersatz, das im Februar 2014 mit einem Vergleich endet und für die Deutsche Bank sehr teuer ist. Sie zahlt den Kirch-Erben 925 Mio. Euro. Doch damit ist die Sache noch nicht ausgestanden. Für Fitschen geht es am Dienstag erst richtig los.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Er und die vier Angeklagten haben im Kirch-Prozess falsche Angaben gemacht, um Schadenersatzzahlungen an die Erben von Kirch abzuwehren. Ihre Anklage stützt die Staatsanwaltschaft auf Dokumente, die unter anderem bei einer Razzia der Deutschen Bank gefunden wurden.

Aus Rücksicht auf den vollen Terminkalender Fitschens hat das Gericht nur einen Verhandlungstag pro Woche angesetzt. Der Prozess kommt für den Bank-Chef ohnehin zur Unzeit. Zum einen wird das Geldhaus immer noch von genügend anderen Rechtsstreitigkeiten belastet. Erst am Freitag wurde bekannt, dass das Institut im weltweiten Skandal um manipulierte Referenzzinssätze wie Euribor und Libor eine Rekordstrafe von 2,5 Mrd. Dollar an die USA und Großbritannien zahlen muss, und das US-Management des Instituts einen Aufpasser zur Seite gestellt bekommt. An die EU-Kommission flossen in dieser Angelegenheit schon 725 Mio. Euro.

Viele offene Baustellen

Von den US-Behörden wird die Deutsche Bank außerdem verdächtigt, gegen Sanktionen (etwa den Iran) verstoßen zu haben. Gespräche über einen Vergleich laufen. Es laufen auch Untersuchungen wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung in der Schweiz.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Betrug mit CO2-Verschmutzungsrechten. Die Finanzaufsicht Bafin hat wegen mutmaßlicher Bilanztricksereien während der Finanzkrise eine Sonderprüfung eingeleitet. Untersucht wird, ob die Bank ein milliardenschweres Derivate-Portfolio zu hoch bewertet. Die Bafin wird den Prozess gegen Fitschen mit Argusaugen beobachten. "Es geht um die Frage, ob es faktisch möglich ist, das Institut zu führen oder nicht. Das hat mit der Unschuldsvermutung, die in einem Rechtsstaat selbstverständlich ist, nichts zu tun", sagt Bafin-Chef Felix Hufeld.

Denn nicht nur Rechtsstreitigkeiten aus der Vergangenheit beschäftigen Fitschen. Die Deutsche Bank will wieder profitabler werden und plant daher einen Umbau: Nach sieben Jahren steigt sie wieder bei der Postbank aus, zudem soll das Investmentbanking zugunsten des Privatkundengeschäfts eingeschränkt werden.

Trotz hoher Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten hat die Bank im ersten Quartal schwarze Zahlen geschrieben. Vor Steuern steht ein Gewinn von 1,48 Mrd. Euro. Der Überschuss halbierte sich jedoch auf 559 Millionen Euro. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 27.4.2015)