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Erstmals berichten chinesische Forscher von einem Eingriff in das Genom lebender menschlicher Embryonen in einem frühen Entwicklungsstadium.

Foto: AP Photo/RBM Online/Life Science Center

Guangzhou - Chinesische Wissenschafter berichten von der weltweit ersten genetischen Manipulation an lebenden menschlichen Embryonen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse dieser bislang beispiellosen Versuche im Journal "Protein & Cell" bestätigte seit einigen Monaten in Fachkreisen kursierende Gerüchte über derartige Experimente in China. Mittlerweile sollen bereits mehrere unterschiedliche chinesische Forschergruppen an Genexperimenten mit menschlichen Embryonen beteiligt sein.

In der Arbeit versuchten der Genetiker Junjiu Huang und sein Team von der Sun Yat-sen University in Guangzhou ethische Bedenken mit dem Hinweis zu zerstreuen, es seien ausschließlich nicht lebensfähige Embryonen in einem frühen Entwicklungsstadium aus einer Fruchtbarkeitsklinik zum Einsatz gekommen. Die Forscher haben bei den Embryonen versucht jene Gene auszuschalten, die für die erbliche Blutkrankheit β-Thalassämie verantwortlich sind. Zum Einsatz kam dafür eine Methode zur genetischen Einflussnahme namens CRISPR/Cas9. Die nun veröffentlichten Resultate enthüllten erhebliche Hürden beim Einsatz dieses Verfahrens bei embryonalen menschlichen Zellen.

Viele unbeabsichtigte Mutationen

Mit CRISPR/Cas9 lässt sich DNA an spezifischen Stellen im Erbgut verankern. Der Komplex kann darauf programmiert werden, problematische Gene zu suchen, die dann von einem anderen Molekül ersetzt oder repariert werden. Die Methode ist bei adulten menschlichen Zellen und im Mäusemodell gut erprobt, doch bei Huangs Experimenten war das Verfahren nur bei einem winzigen Bruchteil der 71 die Prozedur überlebenden Embryos erfolgreich.

Vor allem aber fanden die Forscher in den behandelten Zellen eine überraschend hohe Zahl an unbeabsichtigten Mutationen in völlig anderen Bereichen des Genoms. Gerade diese "Off-Target"-Mutationen werden von den Experten als große Gefahr eingestuft. "Wenn man dies bei normalen Embryonen versuchen will, sollte die Erfolgsquote bei fast 100 Prozent liegen", sagte Huang. "Deshalb haben wir abgebrochen. Wir denken, dass die Methode noch nicht ausgereift ist."

Laut Huang sei seine Arbeit von den Fachjournalen "Nature" und "Science" aufgrund ethischer Bedenken abgelehnt worden. Die Verlage selbst gaben dazu keinen Kommentar ab. Einige Forscher sehen in der Manipulation des Erbgutes von menschlichen Embryonen eine zukünftige Therapie gegen schwere Erbkrankheiten. Die Mehrheit der Fachkollegen dagegen ist der Ansicht, dass mit solchen Experimenten eine ethische Grenze überschritten wurde.

Der Stammzellenforscher George Daley von der US-Universität Harvard etwa beschrieb die chinesische Studie zwar als "Meilenstein". Das Ergebnis sei aber auch eine "ernste Warnung für alle Forscher, die denken, dass die Technologie bereit ist, um kranke Gene auszuschalten".

Wissenschafter warnten zuletzt vor einem Monat in einem Beitrag in "Nature" vor der Gefahr, dass ungewollte Veränderungen der Gene über mehrere Generationen hinweg weiterverbreitet werden könnten. (red, derStandard.at, 23.4.2015)