Gekleidet in ein weißes Habit, schaut Benediktinerpater Johannes Pausch sein Gegenüber durch vergrößernde Brillengläser mit einem guten Schuss Humor in den Augen an, bevor er von den Anfängen einer lebenslangen Beziehung berichtet. "Als Zehnjähriger habe ich mein erstes Herbarium angelegt, mit einem Gänseblümchen, dem Urheilmittel der Kinder. Danach haben mich die Heilpflanzen nie wieder losgelassen", erzählt er und schenkt frischen Kräutertee aus dem Klostergarten ein.

St. Gilgen am Wolfgangsee
Foto: WTG

"Damals, in meinem Heimatort in der Oberpfalz, hatte ich einen guten Lehrer, einen alten Pfarrer. Der kam von seinen Spaziergängen immer mit einer Handvoll Kräuter zurück, die er mir neugierigem Kind erklärte. Dieser Mann hat die Heilpflanzen wirklich verstanden, er wusste, welches Kraut zu wem passt. Das hat mich fasziniert. Seine Schwester, ich würde sie als weiße Hexe bezeichnen, hat mir beigebracht, die Pflanzen mit allen Sinnen wahrzunehmen: mit den Augen, den Ohren, dem Mund, mit dem Geruchsinn, mit dem Tastsinn. Die Kräuter buchstäblich zu begreifen, das ist mein Anliegen."

Einfache Farben

"Dies ist kein Kräuterbuch. Sie werden darin keine Wirkstoffanalyse finden und keine Rezepte. Vielmehr habe ich versucht, das Wesen der Heilpflanzen über Assoziationen zu beschreiben und in Mandalas darzustellen, die intuitiv mit dem Herzen verstanden werden können." Pater Johannes Pausch blättert durch sein neuestes Buch "Meine Heilkräuter-Mandalas - heimische Heilpflanzen und ihre ganzheitliche Wirkung". Die 28 Mandalas für Alant bis Zistrose gleichen Piktogrammen. Einfache Formen - insbesondere Quadrat und Kreis - höchstens zwei Farben pro Symbol.

Gleich nach der Gründung des Europaklosters im Jahr 1993 legte Pater Johannes Pausch auf dem Gelände einen Kräutergarten an.
Foto: Corn

Aus den Rot-Gelb-Grün-Tönen sticht ein einziges himmelblaues Mandala heraus: der Holunder. Die Blüten sind symbolisiert durch zwei weiße Fächer mit je sieben Armen, von denen einer nach oben und einer nach unten zeigt, zusammengefasst durch einen Punkt in der Mitte und einen weißen Kreis drumherum. "Die Blüte des Holunderbaums öffnet sich nach oben, und wenn die Früchte reif werden, neigen sie sich nach unten", erklärt der Autor.

In der Form des Mandalas, eines geometrischen Schaubilds, das im Hinduismus und Buddhismus religiöse Bedeutung besitzt, zeige sich der Weg menschlicher Entwicklung. "Ein wunderbares Symbol für das Wachsen, Werden und Vergehen. Der Holunder ist dafür geeignet, uns in Reifungsprozessen zu bestärken. Menschen, die Mühe haben, sich in der Jugend aufzurichten oder unter dem Gebeugtsein des Alters leiden, finden Hilfe in der Kraft der Holunderblüte."

Bilder der Meditation

Solche Bilder entwickelt Pater Johannes Pausch über Jahre hinweg - mittels Meditation, des Betrachtens der Pflanze und aus seinem Wissen um die Heilwirkung heraus. Ob ein Mandala schließlich ausgereift ist, fühlt er. "Ich weiß, damit locke ich keinen Wissenschafter hinterm Ofen hervor, aber es funktioniert immer wieder. Suchen Sie sich ein Mandala aus, das Sie spontan anspricht", fordert er auf und schiebt das Buch über den Tisch. "Ha, die Zistrose, genau das Richtige gegen Ihren Husten. Ich werde Ihnen die entsprechende Tinktur mitgeben."

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"Der Holunder ist dafür geeignet, uns in Reifungsprozessen zu bestärken", sagt Prior Pater Johannes Pausch.

Später, im Geschäft des Klosters, greift er dann zielsicher ins Regal, denn auch die vielen kleinen braunen Fläschchen sind mit den einprägsamen Mandalas versehen. Die Herstellung der Kräuterelixiere beginnt mit der Aussaat der Pflanzen. Gleich nach Gründung des Europaklosters im Jahr 1993 wurde der Kräutergarten angelegt. Damit setzen die Mönche die Tradition des Benediktinerordens fort, der seit 1500 Jahren Erfahrung mit dem Anbau, der Verarbeitung und Anwendung von Heilkräutern hat. Als Dünger wird nur selbsthergestellte Komposterde verwendet. Unkrautvertilgungsmittel ist tabu, die Bekämpfung der Schnecken übernehmen die zwei Laufenten Silvia und Silvester.

Nicht zu verpflanzen

Jeden Morgen geht Pater Johannes Pausch in den Kräutergarten des Klosters und schaut sich die Pflanzen an. "Unsere kostbarsten Gärten sind aber die Klosteralmen auf bis zu 1.600 Meter Höhe. Natürlich legen wir dort keine Beete an, sondern sammeln Wildkräuter. Da oben wächst zum Beispiel Arnika, eine sehr eigensinnige Pflanze. Die gedeiht hier unten nicht, das haben wir ausprobiert. Manche Gewächse sind in dieser Hinsicht wie Menschen. Die kann man auch nicht einfach irgendwohin verpflanzen."

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Wilde Karden - ihre Wurzeln haben Pfarrer Pauschs Borreliose geheilt.

Nach der Ernte werden die Heilpflanzen gereinigt und während des Gottesdienstes gesegnet, bevor sie handverlesen verarbeitet werden. Bei solchen Gelegenheiten ist die Klosterkirche mit Körben voller Kräuter geschmückt. "Das mag man als Humbug abtun, aber ich bin überzeugt davon, dass es einen Einfluss auf die Pflanzen hat, mit welcher inneren Einstellung wir mit ihnen umgehen", sagt der Pater - und sollte damit recht behalten.

Auch Ernst Kocher (Kocher's Kräutergarten) in Radstadt beschäftigt sich mit Heilpflanzen.
Foto: SalzburgerLand Tourismus

Dass es einem manche Pflanzen tatsächlich übelnehmen, wenn man sie nicht gebührend würdigt, musste er feststellen, als er vor ein paar Jahren Beschwerden in den Schultergelenken bekam. "Es wurde so schlimm, dass ich beim Gottesdienst die Arme nicht mehr zum Segen erheben konnte", erinnert er sich. Die Diagnose des Hausarztes: Borreliose, wahrscheinlich hervorgerufen durch einen Zeckenbiss. Dummerweise vertrug Pater Johannes Pausch die entsprechenden Antibiotika nicht. Sein heilkundiger Kollegenkreis empfahl die Kardenwurzel.

Die Karden wachsen wieder

"Mich hat fast der Schlag getroffen, denn das war genau jenes Gewächs, das ich im Klostergarten weghauen ließ, weil es scheinbar zu nichts zu gebrauchen war." Nach 14 Tagen Behandlung mit Kardenwurzeltinktur war der Pater schmerzfrei. Allerdings blieben die Karden verschwunden. "Die waren beleidigt, da bin ich mir sicher. Also habe ich gebetet: Kommt wieder, wir brauchen euch, wir geben euch auch den besten Platz! Mitten im Kreuzgang, in unserem innersten Heiligtum, hat sich die Karde schließlich wieder angesiedelt. Und ich bin sehr dankbar dafür." (Gabriela Beck, 23.4.2015)