Die Fotografien im Band "Circus", die in Pakistan, Deutschland und Äthiopien aufgenommen wurden, erzählen nicht nur von unterschiedlichen Orten, sondern auch von gegensätzlichen Mentalitäten und immer von der Leidenschaft für den Zirkus.
Lukas Berger lässt durch seine Arbeit aus diesen Welten ein großes Ganzes entstehen. Mit Momentaufnahmen aus dem Zirkusalltag und mit inszenierten Portraits, lässt uns der Fotograf hinter die Kulissen und die geschminkten Gesichter der Artisten, Clowns und Schausteller blicken. (max, derStandard.at, 29.4.2015)
2010 ist Lukas Berger, Jahrgang 1989, Zivildiener in Pakistan und sieht dort den Wanderzirkus Lucky Irani Circus (links). Er selbst ist begeisterter Clown und möchte eine Fotodokumentation über diesen Zirkus machen.
Aber beim Fotografieren haperts noch. Also geht der gebürtige Linzer nach Deutschland (Hannover), um seine Fähigkeiten zu erweitern. 2012 machte er sich wieder auf nach Pakistan um besagten Zirkus zu finden.
Berger hatte eine Visitenkarte, aber weder eine Telefonnummer noch eine E-Mail-Adresse. Nach mehreren Tagen erreichte er schließlich die Zirkusleute, reiste mit ihnen, schlief unter freiem Himmel und wurde schließlich auch akzeptiert. Spätestens dann als ihm einer der kleinwüchsigen Clowns während einer Vorstellung einen Cricket-Schläger so hart über den Kopf zog, dass dieser zerbrach.
Lucky Irani Circus ist der größte Zirkus der Gegenwart in Pakistan. Schon der Vater des jetzigen Besitzers Mian Sahib war Zirkusdirektor. Er zog in der friedlichen Zeit vor der Militärdiktatur der 70er und 80er Jahre durch das ganze Land. Heute leben mehr als 100 Menschen von der Arbeit rund um den Zirkus.
Einige Familien treten seit Generationen in pakistanischen Zirkussen auf, andere haben dort ein Zuhause nach einem Leben auf der Straße gefunden.
Bespielt werden mittlerweile ausschließlich Städte im Punjab, da Auftritte außerhalb dieses Bundeslandes mit viel Aufwand und Gefahren verbunden sind.
Ganz anders die Welt des Circus Roncalli, in die Lukas Berger als nächstes eintauchte. In Norddeutschland tourte er als Fotopraktikant mit diesem weltberühmten Ensemble, hatte seinen eigenen Schlafwagen, übte Clownerie, machte Porträts für sein Projekt und für die Website des Zirkus.
Kurz: Er machte alles, was auch jedes andere Mitglied der "Zirkus-Familie" tun muss, damit das Werkl weiterläuft.
Er war beeindruckt von der Professionalität des Betriebs und dessen hierarchischen Struktur.
Der Circus Roncalli wurde im Jahr 1976 gegründet. Nach schwerer Anfangszeit begann der Erfolgsweg zu Beginn der 80er Jahre. Seitdem ist der Circus Roncalli mit seinem Direktor und Clown Bernhard Paul zu einem der renommiertesten Zirkusse der Welt für Akrobaten und Clowns geworden.
Neben den regulären Tourneen mit dem Zirkuszelt, werden mittlerweile auch Produktionen für Varietees und Theaterhäuser produziert.
Zur Jahrtausendwende gründeten sich viele Zirkusgruppen in Äthiopien. Darunter der Circus Debere Berhan, bei dem Lukas Berger als nächstes andockte.
Im Laufe der vergangenen 16 Jahre ist der Zirkus kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile sind zwölf Menschen fest bei dem Zirkus angestellt, der in der Stadt Debere Berhan sein Zuhause hat.
Der Zirkus tritt meist einfach auf der Straße auf, das Publikum findet sich von selbst. Die wenigsten der Zuschauer können zahlen und so wird der Zirkus von NGOs und europäischen Zirkussen unterstützt.
Neben den alltäglichen Proben bietet der Zirkus auch ein ganz spezielles Programm: bis zu 50 Kinder und Menschen mit Behinderung werden von Zirkustrainern ausgebildet. Durch kleine Auftritte in Europa, arbeitet der Zirkus beständig daran, zu wachsen und sich auch international zu etablieren.
Obwohl Berger vom Circus Debere Berhan gerne als Clown übernommen worden wäre, hat er dankbar abgelehnt. Es zieht in weiter zu den anderen Zirkussen auf anderen Kontinenten.
Lukas Berger ist 1989 in Linz, Österreich geboren und hat Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover studiert. Seine Tätigkeit als Fotograf führte ihn unter anderem nach Pakistan, Burkina Faso, Usbekistan oder Äthiopien. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgestellt.
"Circus"
Zirkus in Pakistan, Deutschland & Äthiopien
© Verlag Kettler, Lukas Berger, 2014
88 Seiten
28 Euro
Erhältlich hier: www.lukasberger.com/circusbook