Friedrich Gauermann, "Der Überfall" (1834): Fast meint man das Klappern der Hufe und Wiehern der Pferdezu hören. Passend zur Dynamik und Dramatik des Geschehens verdichten sich die Wolken am Himmel.


Foto: Dorotheum

Geschätzter Meister, ich hätte gerne eine Landschaft mit angedeuteter Bergkulisse, so ein Bildwerk, wie ich es unlängst beim Grafen Clary bewundern durfte. Eine Variante mit zwei oder drei Kühen, auch ein paar lümmelnden Ziegen. Vielleicht gedenken Sie das Ganze an einem Ufer zu arrangieren, nun, das überlasse ich Ihnen. Kalkulieren Sie und lassen Sie mich wissen, wann das Idyll abholbereit wäre.

Der fiktive Monolog eines Klienten, wie er ehedem im Atelier von Friedrich Gauermann durchaus stattgefunden haben könnte. Damals, als der Kunsthandel noch in den Kinderschuhen steckte, die Künstler nicht über Galeristen, sondern über Ausstellungen an der Akademie oder über Empfehlungen ihren Kundenkreis generierten.

Patchwork-Methode

Und darin haben wohl bis heute überlieferte Mythen ihren Ursprung - solche, die Gauermann etwa eine Fließbandproduktion attestieren, die jedoch keiner Überprüfung standhalten, wie ein Blick in das Werkverzeichnis belegt: Ölstudien nicht einkalkuliert, beläuft sich der Umfang auf rund 380 Gemälde, die von 1821 bis zu seinem Tod 1862 entstanden. Rein rechnerisch produzierte er also zwischen acht und neun Bilder jährlich - Ferdinand Georg Waldmüllers Jahresdurchschnitt lag im Vergleich bei 21 Bildern.

Neben kunstsinnigen Bürgern zählte Gauermann von Anbeginn vor allem Vertreter der Aristokratie zu seinen Klienten. Darunter die Grafen Czernin, eingangs erwähnten Clary, Rothschild-Barone, die Fürsten Metternich, Liechtenstein und Esterházy sowie Kaiser Franz I., Kaiser Franz Joseph oder die Erzherzöge Ludwig und Franz Karl. Bis auf wenige Ausnahmen erwarben die meisten nur ein oder zwei Werke aus dem charakteristischen Standardrepertoire: Alpengenres, Wildtier- bzw. Tierkampf- und Jagdszenen.

Die Kulissen und Darsteller fand der Künstler bei Reisen durch Österreich, hielt diese in seinem wachsenden Vorrat an Skizzen oder Ölstudien fest und setzte diese Elemente ähnlich einer Patchwork-Methode für die endgültige Komposition zusammen. Im Dorotheum gelangen im Zuge der nun anberaumten Auktionswoche in der Sektion Gemälde des 19. Jahrhunderts (23. 4.) vier "Gauermänner" zur Versteigerung: eine Ölstudie ("Herabstürzendes Wasser", 25.000-30.000 Euro), einst in der Sammlung Rudolf Leopolds, sowie drei im Werkverzeichnis erfasste Gemälde. Zu Letzteren gehört die klassische Darstellung eines erlegten Hirschs (80.000-150.000 Euro), die Baron Rothschild 1840 im Wiener Kunstverein für 900 Gulden erwarb. Laut Verbraucherpreisindex entspricht das einem Gegenwert von rund 17.800 Euro. Das Bild wechselte über die Jahre mehrfach den Besitzer, dreimal über Auktionen in den Jahren 1882, 1929 und zuletzt 1984 im Dorotheum.

Dem stehen Werke gegenüber, die seit der Entstehung nie öffentlich zu sehen waren und nun mit dem Prädikat marktfrisch um die Gunst des Käuferpublikums buhlen, wie das 1834 entstandene Gemälde Der Überfall. Einst erwarb es ein in Paris angesiedelter Rothschild-Spross für 300 Gulden (rd. 5800 Euro), später gelangte es in habsburgischen Privatbesitz und soll nun zwischen 50.000 und 70.000 Euro einspielen. Motivisch blieben Raubzüge von gerissenen und schießwütigen Banditen innerhalb des OEuvres mit nur drei weiteren zwischen 1827 und 1847 in Öl verewigten Kompositionen eine Ausnahme, und handelt es sich bei diesem idyllischen Alpendelikt damit um ein nachweislich rares Sujet. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 18./19.4.2015)