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Klein, aber faszinierend: Osedax-Würmer der Spezies O. mucofloris (oben) und O. frankpressi (unten).

Foto: REUTERS/Natural History Museum

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Foto: AP Photo/Greg Rouse, Science

Plymouth - Als 2002 vor der kalifornischen Küste Tiefseewürmer entdeckt wurden, die man bis dahin noch nie gesehen hatte, war das Aufsehen groß: Die kleinen Würmer - die Weibchen messen einige Zentimeter, die Männchen weniger als einen Millimeter - haben sich nämlich eine besondere ökologische Nische gesichert: Sie bohren sich mit Säure in die Knochen toter und zum Meeresgrund gesunkener Wale, um sich von dem darin enthaltenen Fett und Eiweiß zu ernähren.

Für die Tiere, von denen man mittlerweile ein gutes Dutzend verschiedene Spezies identifiziert hat, hat sich in den Folgejahren der Begriff "Zombiewürmer" eingebürgert - vielleicht nicht ganz glücklich, da es ja auch "Zombieameisen" gibt, die sich diesen Titel auf völlig andere Weise erworben haben (ihr Verhalten wird von einem Pilz manipuliert). Der offizielle Name ist aussagekräftig genug: Osedax bedeutet "Knochenfresser".

Untersuchungen stoßen auf verräterische Spuren

Allerdings sind die Vorfahren der heutigen Wale erst vor 40 bis 50 Millionen Jahren ins Meer zurückgekehrt. Osedax aber ist älter, wie eine aktuelle Studie der Universität Plymouth zeigt. Forscher um Nicholas Higgs berichten im Fachjournal "Biology Letters", dass sie 100 Millionen Jahre alte Plesiosaurier-Fossilien aus den Beständen des Sedgwick-Museums der Universität Cambridge untersuchten und an den versteinerten Knochen Spuren entdeckten, die den von Osedax verursachten Spuren an Walknochen entsprechen. Gleiches zeigte sich an den Fossilien einer kreidezeitlichen Meeresschildkröte, die in Kent gefunden worden war.

Damit sieht Higgs als erwiesen an, dass sich Osedax nicht - wie von vielen Forschern vermutet - in Koevolution mit den Walen entwickelt hat. Stattdessen warten die Würmer da unten offenbar schon sehr viel länger auf das, was ihnen von oben an toten Riesen entgegengesunken kommt. Das Nahrungsangebot hat sich durch Massenaussterbeereignisse an der Oberfläche verändert, aber Osedax ist immer noch der Endabnehmer.

Der "Osedax-Effekt"

Allerdings hat die Sache noch einen weiteren Aspekt, und der ist für Paläontologen eher ärgerlich als interessant: Die Würmer zerstören durch ihre Fresstätigkeit Knochen und schmälern damit letztlich auch den Fossilienbefund. Laut Higgs muss man nun davon ausgehen, dass dieser negative "Osedax-Effekt" nicht erst in der Erdneuzeit zum Tragen kam, sondern auch unser Wissen um das ozeanische Leben des Erdmittelalters geschmälert hat. (jdo, derStandard.at, 19 .4. 2015)