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Die Expo im Aufbau: Das Weltausstellungsgelände in Mailand (aufgenommen am 3. April 2015) wenige Wochen vor der Eröffnung, die am 1. Mai stattfinden wird.

Foto: Reuters/Perottino

Rendering vom österreichischen Pavillon auf der Mailänder Expo: "Österreich ist bekannt für seine Luftkompetenz".

Foto: terrain / Expo Austria

Schon einmal fand in Mailand eine Weltausstellung statt, und zwar vor über hundert Jahren. Die Esposizione Internazionale 1906 stand unter dem Generalthema Verkehr. Gezeigt wurden Automobile, Luftschiffe und futuristische Eisenbahnvisionen. Eine elektrische Hochbahn verband die unterschiedlichen Ausstellungsflächen miteinander. Und noch während der Expo wurde der 20 Kilometer lange Simplontunnel zwischen der Schweiz und Italien in Betrieb genommen. So sah damals Zukunft aus.

Verhältnismäßig beängstigend und apokalyptisch nimmt sich dagegen das Thema der globalen Nabelschau 2015 aus: "Den Planeten ernähren. Energie für das Leben" lautet das Motto, zu dem 142 Länder aus aller Welt ihren Beitrag leisten werden. Ob das Ernährungsparadies bis zur Eröffnung am 1. Mai rechtzeitig fertiggestellt werden wird, ist jedoch fraglich. Zu lange stand die Baustelle auf dem Messegelände Rho/Pero im Norden der Stadt still, zu offensichtlich waren die Schmiergeldaffären der kalabrischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta.

Baustelle beim italienischen Pavillon

"Es gibt einige wenige ausländische Pavillons, die ein bisschen Verspätung haben", sagte Expo-Chef Giuseppe Sala kürzlich in einem Interview mit der ARD. "Gewiss, wir haben Fehler gemacht, und es hat schwierige Phasen gegeben, in denen es Bestechungsversuche gab. Doch die Besucher werden schon am ersten Tag die Möglichkeit haben, alles zu sehen." Dass es - neben den Beiträgen aus Russland und der Türkei - ausgerechnet der italienische Pavillon ist, der noch am meisten einer Baustelle gleicht, scheint nicht weiter erwähnenswert. 300 Bauarbeiter sind Tag und Nacht vor Ort, um den fünfstöckigen Prachtbau aus Marmor fertigzustellen.

Der 1,4 Kilometer lange Expo-Boulevard "Decumanus", an dem die meisten Pavillons aufgefädelt sind, wurde von Daniel Libeskind gestaltet. Hinzu kommen diverse Teilprojekte von Jacques Herzog, Richard Burdett und Stefano Boeri. Letzterer, seines Zeichens Architekt und ehemaliger, weil geschasster Expo-Konsulent der Stadt Mailand, war federführend an den Richtlinien für den Masterplan beteiligt, die nach langem Hin und Her von der Stadt ins Nirwana geschickt wurden.

"Wir wollten aus den Fehlern der vergangenen Weltausstellungen in Hannover, Sevilla und Zaragoza lernen und es besser machen", sagt Boeri im Gespräch mit dem STANDARD. "Daher haben wir einen großen botanischen Garten mit leichten, temporären Aufbauten vorgeschlagen. Passend zum übergeordneten Thema der Nahrung war unsere Idee, das Areal nach Ablauf der Expo in Ackerland zu verwandeln. Dieses Konzept jedoch war der Stadt Mailand zu wenig lukrativ."

Ungewisse Zukunft

Was mit dem Expo-Gelände eines Tages passieren soll, ist ungewiss. Bis heute liege für das 1,7 Quadratkilometer große Gelände kein entsprechendes Nachnutzungskonzept auf dem Tisch, so Boeri. Wahrscheinlich ist, dass das Areal dem bestehenden Rho/Pero-Messegelände zugeschlagen wird. Genaue Aussagen dazu fehlen. 1,3 Milliarden Euro lässt sich der italienische Staat das Ereignis kosten. Hinzu kommen eine weitere Milliarde von den Teilnehmerländern sowie 350 Millionen Euro von privaten Investoren. Um diesen Preis würde man sich mehr als nur eine touristisch-wirtschaftliche Nachhaltigkeit für die Lombardei wünschen.

Überaus nachhaltig, ja geradezu luftig erscheint hingegen das Konzept des österreichischen Pavillons. Die interdisziplinäre Planungsgruppe team.breathe.austria, die aus einem zweistufigen Auswahlverfahren als Sieger hervorging, schöpft aus dem Schoß von Mutter Natur und schafft mit ihrem Beitrag "breathe.austria" ein Stückchen Wald inmitten der sonst künstlichen Expo-Landschaft.

Frische Frischluft

"Ohne Essen können wir fünf Wochen aushalten, ohne Wasser fünf Tage, aber ohne Luft keine fünf Minuten", sagt Architekt Klaus K. Loenhart von team.breathe.austria im Gespräch mit dem STANDARD. "So gesehen ist Luft die wichtigste Nahrungsquelle für uns alle." Erzeugt wird diese von einem 560 Quadratmeter großen Wald, der aus der Mitte des großteils offenen österreichischen Pavillons herauswuchert. 1200 Stauden, 120 Quadratmeter Moos und fast 90 Bäume erzeugen mit vereinten Kräften 63 Kilogramm Sauerstoff pro Stunde, genug, um 1800 Menschen zu versorgen. Frischer kann Frischluft nicht sein.

Doch wozu das Ganze? "Wissen Sie, es ist schon fast schizophren, eine Expo unter dem Titel Nahrung und Nachhaltigkeit zu machen und dann jedem einzelnen temporären Pavillon eine Klimaanlage aufs Dach zu knallen", erklärt Loenhart. "Unser Pavillon jedoch wird selbst im Sommer ohne Klimaanlage auskommen, denn die Kühlung übernimmt bei uns der Wald." Mittels Ventilatoren wird ein Sprühnebel über die Pflanzen verteilt, die Tröpfchen setzen sich auf den Blättern fest, die Verdunstung schließlich führt zu einer wahrlich erklecklichen Abkühlung des Raumes. Mithilfe des 43.000 Quadratmeter großen Luftkraftwerks - so groß ist die Summe der Blattoberflächen - kann der Pavillon im Hochsommer um fünf bis sieben Grad Celsius gekühlt werden.

Österreichische Luftkompetenz

"Die Expo ist ein Multiplikator für Wissen und Ideen", sagt der Architekt. "Und obwohl der Pavillon am Ende wieder verschwinden wird, kann unser Beitrag als Stellungnahme für ein klimabewusstes und ressourcenschonendes Handeln weiterbestehen." Wichtig sei es, dass mit "breathe.austria" keine Askese und kein restauratives Verständnis von Natur vermittelt werde, so Loenhart, sondern ein integrativer, kooperativer und nicht zuletzt genussvoller Ansatz. "Wir müssen umdenken, keine Frage. Es pressiert. Aber müssen wir dem Klimawandel nur mit Verzicht und Fehlerkorrektur begegnen?"

Der österreichische Beitrag, meint auch Rudolf Ruzicka, Expo-Projektleiter in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), sei eine Inspiration, um über die Zukunft von Architektur und Technik nachzudenken. "Österreich ist bekannt für seine Luftkompetenz. Und das, was das Blatt tut, ist ein wichtiger Dienst, auf den man in Zukunft öfter wird zurückgreifen müssen. Diese Message ist es, die wir - fernab von irgendwelchen nationalen Klischeebildern - auf dieser Expo transportieren möchten."

Die Baukosten für "breathe-austria" schlagen mit 4,8 Millionen Euro zu Buche, Moos und Baumschulenmaterial inklusive. Nach dem Abbau des Pavillons werden die Stauden und bis zu 15 Meter hohen Bäume, darunter eine Hainbuche, die alle anderen Pavillons überragt - was für eine symbolträchtige Geste für diese Weltausstellung - nach Bozen transportiert und zur Aufforstung der Stadt verwendet. Der Kreis schließt sich.

Waren es früher Technik und Maschine, Vision und Utopie und nicht zuletzt der Konkurrenzkampf der Nationen, die den Weltausstellungen ihren Stoff gaben, so mutiert die Expo mehr und mehr zu einer globalen Jahreskonferenz, auf der man über jene Themen diskutiert, die unausweichlich sind, und dafür im Kollektiv nach Lösungen sucht. Es geht immerhin um die Ernährung des Planeten. Am 1. Mai wird sich weisen, ob Mailand diese Chance wahrgenommen hat oder nicht. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 18.4.2015)