Beim IWF sieht man den Hypo-Haircut nüchtern. "Bei der Liquidation einer Bank ist es normal, dass Investoren einen Haircut hinnehmen müssen", sagt Finanzchef José Viñals.

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Viñals machen die faulen Kredite in den Büchern europäischer Banken Sorgen. Ginge man das Problem rascher an, könnten wieder mehr Kredite vergeben werden, sagt er.

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Washington - Dass Österreich die Gläubiger der Hypo zur Kasse bitten will, unterstützt der Chef der Finanzabteilung im Internationalen Währungsfonds (IWF), José Viñals, prinzipiell. Die drohenden Verluste der deutschen Banken hält er für verkraftbar, weil die Aufseher bereits vorgesorgt haben.

STANDARD: Österreich hat sich als erstes Land in der Eurozone entschlossen, die neuen Bail-in-Regeln bei der maroden Kärntner Hypo anzuwenden. Bankinvestoren werden also Geld verlieren. In Europa war das lange nicht selbstverständlich. Ist das ein richtiger Schritt?

Viñals: Ich glaube, die österreichischen Behörden tun, was sie für richtig halten. Aber lassen Sie mich eines unterstreichen: Das ist kein Bail-in, denn wenn ich den Fall Hypo richtig verstehe, geht es hier um die Liquidation einer Bad Bank und nicht um die Sanierung eines regulären Kreditinstituts, das weiterhin Spareinlagen entgegennimmt.

STANDARD: Macht das einen Unterschied in Ihrer Bewertung?

Viñals: Bei der Liquidation einer Bank ist es normal, dass Investoren einen Haircut hinnehmen müssen. Man schaut sich an, wie hoch die vorhandenen Vermögenswerte sind und bis zu welchem Grad man Gläubigerforderungen befriedigen kann. Das ist eine Standardprozedur in einem Konkursfall. Die österreichische Regierung hat also gute Gründe dafür, die Sache so zu behandeln, wie sie es tut.

STANDARD: Und was ist mit den Garantien des Landes Kärnten für die Hypo-Schulden? Österreich hat ja bereits erklärt, dass man einen Teil dieser Garantien streichen und nicht beachten wird.

Viñals: Das ist etwas anderes. Diese Schritte müssen innerhalb des österreichischen Rechtsrahmens geklärt werden.

STANDARD: Aus Sicht der Finanzstabilität sehen Sie kein Problem? Einige deutsche Banken dürften ja wegen der Hypo viel Geld verlieren.

Viñals: Ja, aber die Aufseher haben ihre Kreditinstitute bereits aufgefordert, Vorsorge in ihren Bilanzen für mögliche Verluste zu treffen, was in dieser Situation der richtige und angebrachte Schritt ist.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass von den neuen Bail-in-Regeln in Europa zu viel erwartet wird? Der Fall Hypo zeigt ja eines mit Sicherheit: Wenn Gläubiger bluten sollen, ist es ein chaotischer Prozess. Es gibt jede Menge Klagen und Streit mit Investoren.

Viñals: Der IWF unterstützt die Bail-in-Regeln in Europa. Bei manchen Banken werden sie dazu führen, dass Investoren höhere Risikoaufschläge einfordern werden. Aber solange es klare, im Vorhinein ausgearbeitete Regeln gibt, ist eine Gläubigerbeteiligung etwas Gutes. Ein Investor kann natürlich immer kommen und eine Klage einbringen. Aber die Chancen, diese zu gewinnen, stehen für ihn schlecht, wenn es eine solide Rechtsgrundlage gibt. Die geordnete Abwicklung von Banken ist ja auch der Schlüssel, um das Problem zu lösen, dass einige Banken zu groß sind, um sie pleitegehen zu lassen.

STANDARD: Der IWF ruft Banken dazu auf, die Aufräumarbeiten in den Bilanzen zu beschleunigen. Welche Belege haben Sie, dass die Kreditinstitute zu langsam sind?

Viñals: Die Überprüfung der Bankbilanzen durch die Europäische Zentralbank hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass in den Büchern mehr faule Kredite schlummern als gedacht. Die Summe der Non Performing Loans liegt in der Eurozone demnach bei 900 Milliarden Euro. Die EZB hat durch ihre Prüfung die Transparenz erhöht, und Banken haben als Reaktion ihre Kapitaldecke erhöht. Das ist die gute Nachricht. Es gibt aber auch eine Herausforderung wegen der faulen Kredite. Je mehr davon in einer Bilanz schlummern, umso weniger profitabel können Banken arbeiten, und umso weniger Kredite vergeben sie. Würde man das Problem entschiedener angehen, könnten die Banken mehr Kredite vergeben.

STANDARD: Warum haben die Banken das Problem nicht schneller gelöst?

Viñals: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Möglicherweise sind einzelne Kredite in den Bilanzen überbewertet, und man will das so belassen. Es gibt auch Länder, in denen der rechtliche Rahmen nicht gut genug ist, um mit dem Problem umzugehen, oder wo den Banken die technischen Kapazitäten fehlen. Es kann also gut sein, dass Europa mehr Lösungsvarianten wie in Spanien braucht, wo eine zentrale Bad Bank eingerichtet wurde, um das Problem zu lösen. Hilfreich wäre auch ein Markt, auf dem aktiv problematische Kreditportfolios gekauft und verkauft werden können.

STANDARD: Welches Land muss mehr tun?

Viñals: Sagen wir es so: Italien geht das Problem nun nach langer Zeit an. Am höchsten ist der Stand an faulen Krediten in sechs Euroländern, darunter Griechenland, Spanien, Italien und Portugal, wo die Gesamtsumme bei 600 Milliarden Euro liegt.

STANDARD: In der Eurozone wurden in den vergangenen Jahren zahllose Bankreformen umgesetzt. Welche war in Ihren Augen die wichtigste?

Viñals: Für mehr Stabilität hat sicher der Satz von Mario Draghi (Chef der Europäischen Zentralbank, EZB) im Sommer 2012 gesorgt, wonach die EZB alles unternehmen werde, um den Euro zu sichern. Auch die Einführung der Bankenunion war hilfreich. Und jetzt ist es das Quantitative Easing der EZB.

STANDARD: Sie meinen das gigantische Staatsanleihen-Kaufprogramm. Wie kommen Sie darauf, dass es wirkt – gibt es dafür schon Belege?

Viñals: Man muss immer daran denken, was passiert wäre, hätte die EZB nichts unternommen. Seitdem die Zentralbank eingreift, sind die Inflationserwartungen gestiegen, aber noch nicht in ausreichendem Ausmaß. Doch die EZB hat ihr Kaufprogramm ja auch gerade erst gestartet. Das Programm hat auch die Finanzierungskosten für Firmen reduziert, die Aktienmärkte beflügelt und damit das Vermögen von Staatsbürgern und Unternehmen vermehrt. Schließlich hat der Euro abgewertet, was den Exporteuren hilft. (András Szigetvari, derStandard.at, 17.4.2015)