Wien - Der Presserat wirft der Gratiszeitung "Heute" wegen der Berichterstattung über angebliche Jihadisten und Waffen in einer Wiener Wohnung einen schwerwiegenden Ethikverstoß vor. Das Blatt habe demnach mit den Artikeln "Exekutor ließ zwei Dschihadisten in Wiener Gemeindebau auffliegen" und "60 Polizisten bei Sturm auf Dschihad-Wohnung" gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse verstoßen.

Keine Waffen, kein Suchtgift

Erschienen waren die Berichte im Februar. Eine Leserin wandte sich danach an den Presserat und kritisierte, dass die Darstellung in den oben genannten Artikeln nicht den Tatsachen entspreche. In der von der Polizei durchsuchten Wohnung seien - anders als im Artikel festgehalten - keine Waffen, insbesondere keine Maschinenpistolen, und auch kein Suchtgift gefunden worden. Dies sei aus zahlreichen anderen Medienberichten zu dem geschilderten Fall ersichtlich.

Keine Recherche

Die Landespolizeidirektion Wien bestätigte auf Anfrage des Presserats, dass die meisten in den beanstandeten Artikeln dargelegten Sachverhalte nicht den Tatsachen entsprachen. Der Presserat kam deshalb zum Schluss, dass die im Ehrenkodex verlangte gewissenhafte und korrekte Recherche in dem Fall "offensichtlich überhaupt nicht durchgeführt" wurde. "Das Geschehen ist krass fehlerhaft dargestellt worden", so der Presserat.

Die Zeitung "Heute" ist nicht Mitglied des Presserates und wollte sich im Verfahren nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Presserat fordert "Heute" auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen. Auf heute.at ist der Artikel noch zu finden, allerdings mit einem Update und in einer stark veränderten Version.

Erst vorige Woche wurde "Heute" vom Presserat verurteilt, weil in der Gratiszeitung "Gefälligkeitsinterviews" veröffentlicht wurden. (APA, red, 16.4.2015)