"Was? Saftläden wollts eröffnen? Seids denn ihr deppert worden?" Erste Reaktionen auf Victoria und Clemens Rieders Start-up waren schaumgebremst.


Foto: Robert Newald

Es sieht nach einem schnellen Geschäft aus. Ein paar Früchte pressen, mit einem flotten Slogan an den Kunden bringen, fertig ist der Saftladen. "Die Leute stellen sich das so einfach vor", sagt Victoria Rieder. Aber rückblickend wisse sie nicht mehr, wie sie und ihr Mann Clemens das alles geschafft hätten. Die ersten fünf Monate arbeiteten sie von Montag bis Samstag 16 Stunden am Tag - "wir waren mit Adrenalin vollgepumpt, wussten, wir haben nur eine Chance. Vermasseln wir sie, ist es vorbei. Unser gesamten Ersparnisse stecken hier drinnen."

Die zwei waren die Ersten, die sich in Österreich mit frischgepresstem Obst und Gemüse in stylischen Bars versuchten. Ende 2012 starteten sie in der Wiener Innenstadt ihre Juice Factory. Der Saftriese Rauch zog wenige Wochen später nach. Mittlerweile schießen kleine Anbieter im urbanen Raum munter aus dem Boden. Rauch, mehr als 800 Millionen Euro Umsatz schwer und mit 600 Mitarbeitern hierzulande der größte seiner Branche, sperrt im Frühsommer den dritten Standort in der Wiener Herrengasse auf. Die Juice Factory mit 28 Mitarbeitern und rund einer Million Euro Umsatz hat ihre dritte Bar vor wenigen Tagen eröffnet: Die Rieders machten auf dem Vienna Airport das Rennen gegen den großen Rivalen.

Rauch nimmt es sportlich

Das Projekt habe die Erwartungen übertroffen, sagt Rauch-Sprecher Daniel Wüstner. Die Konkurrenz nehme man sportlich, Expansion sei im Gespräch. Auch Victoria und Clemens Rieder wollen ihr Konzept multiplizieren. Zwei bis drei weitere Lokale sind in Wien noch im Visier, dann überlegen sie den Sprung nach Graz, Salzburg, Linz. "Wir wollen es jetzt einfach wissen. Wir schauen, wie weit wir damit kommen."

Beide studierten BWL - was ihn in die Bankenanalyse und sie in die Verkaufsleitung wie ins Projektmanagement führte. Zunächst jedoch stießen sie ihre Familien hart vor den Kopf.

"Wir haben viel studiert, viel gearbeitet und verdient, aber wir wollten auch was von der Welt sehen." Im Alter von 24 und 28 kündigten sie ihre Jobs und folgten neun Monate lang der Sonne von Südostasien über Neuseeland, die Südsee bis nach Kalifornien. "Es war die schönste Zeit in unserem Leben." In jedem Land ersannen sie andere Geschäftsideen. "Wir haben zehn Businesspläne geschrieben", sagt Clemens Rieder, jener für die Juice Bar ließ sie die ganze Reise über nicht mehr los. "Was? Saftläden wollts eröffnen? Seids denn ihr deppert worden?", waren die ersten Reaktionen des befreundeten Umfelds, erinnert er sich und lacht. "Es hat sich halt anfangs keiner was Gescheites drunter vorstellen können."

Alles Geld war bei der Reise draufgegangen. Zurück in Wien, hieß es noch einmal Geld verdienen. Ein Jahr bereiteten sie sich vor, dann legten sie ihre Pläne der Stiftung des Billa-Gründers Karl Wlaschek vor. Das führte zum Mietvertrag für ihre erste Filiale.

Mundpropaganda

Crowdfunding sehen die beiden skeptisch - es bringe nicht viel, der Verwaltungsaufwand sei einfach zu hoch. Also wurden die eisernen Reserven angezapft und an die Banken verpfändet. Basis für den Start: erspartes eigenes Kapital, ein Kredit über 50.000 Euro und Hilfe der Eltern. Lieferanten fanden sich über Empfehlungen, dichte soziale Netzwerke sorgten für die Vermarktung. Während Start-ups rund um das Mixgetränk Bubble Tea zeitgleich geknickt das Feld räumten, ging die Idee mit den frischen Früchten auf. "Es hat von Anfang an funktioniert. Es ist kein Trend, der rasch wieder verebbt", sind sich die Rieders sicher. Sie sattelten kürzlich von einer Offenen Gesellschaft auf eine GesmbH um ("es war ein Fehler, sie nicht gleich gegründet zu haben") und sorgten für alle Eventualitäten vertraglich vor. Sie seien auf ihren Reisen 24 Stunden am Tag in ihrem Van auf vier Quadratmetern aufeinandergepickt - "das schweißt zusammen". Das Risiko, dass der Betrieb bei privaten Problemen in die Bredouille gerät, gehen sie dennoch nicht ein.

Entspannt zurücklehnen können sich die beiden weiterhin nicht. Gewinne fließen in die Expansion, eigene Ansprüche sind zurückgestellt. Und vom Porsche, den manch Bekannter aufgrund der vollen Saftbars nahen sieht, ist keine Rede. "Die Verantwortung für so viele Jobs steckt man nicht leicht weg", sagt Clemens Rieder. Auch die Behörden machen es Jungunternehmern aus seiner Sicht alles andere als einfach. Die Bürokratie berge immer neue Hürden. Allein um ein Pickerl für den Parkplatz vor seiner Filiale ringt er nun schon ein halbes Jahr. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 16.4.2015)