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Die Klimaerwärmung zerstört im Eis die "Duftrouten" der Eisbären. Dadurch wird die Fortpflanzung der Tiere erheblich erschwert.

Foto: AP Photo/U.S. Geological Survey, Brian Battaile

Wien - Die Schnauze schnüffelnd am Boden, auf dem Weg durch Schnee und Eis - ein typisches Bild des Eisbären. Was genau es damit auf sich hat, haben nun Wissenschafter herausgefunden: Das größte Landraubtier der Erde kommuniziert über Sekrete, die es mit den Tatzen im Eis hinterlässt. Die chemischen Signale empfängnisbereiter Eisbärinnen fungieren dabei als Werbebotschaft für mögliche Partner. Das ermittelten Forscher des Zoos von San Diego, der Wissenschaftsbehörde United States Geological Survey und der US-Artenschutzorganisation Polar Bears International ("Journal of Zoology", Bd. 295, S. 36-43).

Das Team um Megan Owen vom Zoo San Diego sammelte dazu im Frühjahr in der Beaufortsee und der Tschuktschensee im Nordpolarmeer Geruchsmarken von Eisbären. Die Proben präsentierten sie Eisbären in zehn nordamerikanischen Zoos und testeten deren Reaktionen.

Die Forscher waren oft zur Stelle, wenn Ranger in der Arktis Eisbären einfingen - eine unumgängliche Maßnahme, wenn Bären Siedlungen zu nahe kommen, sodass sie fernab vom Schuss wieder ausgesetzt werden. Die Wissenschafter hatten so Gelegenheit, von den Schweißdrüsen der Haarbälge der Eisbärtatzen Duftproben zu nehmen und das Geschlecht und Alter der Tiere zu bestimmen. Ob die Bärinnen paarungsbereit waren, gab die Jahreszeit vor. Aus den Schweißdrüsen geben Eisbären Chemosignale ab, die der Studie zufolge Informationen transportieren, die Artgenossen sensorisch lesen können, etwa zu Geschlecht und Paarungsbereitschaft. Die Forscher unterschieden in den Zoos zwischen drei Reaktionen: dem bloßen Annähern an die Geruchsproben, dem Beschnüffeln durch die Nase und dem Flehmen. Flehmen ist ein intensives Wittern mit offenem Maul durch ein separates Geruchsorgan.

In den Experimenten zeigten die Zoo-Bärinnen vor allem im Frühjahr, wenn Paarungszeit ist, Interesse an den arktischen Gerüchen, und zwar auch an denen anderer Bärinnen. Ein Flehmen ließen sie sich meist nur entlocken, wenn der Duft vom anderen Geschlecht kam. Die männlichen Bären waren vorrangig am Duft der Damen und nicht an dem der Rivalen interessiert, und das nicht nur zur Paarungszeit. Stammte der Geruch von einer empfängnisbereiten Artgenossin, war das Interesse deutlich höher als bei Gerüchen von Bärinnen, die trächtig waren oder Junge hatten. Den Odor von Paarungsbereitschaft beantworteten männliche Polarbären auffallend oft mit Flehmen.

Die Klimaerwärmung in der Arktis setzt die Eisbären der Studie zufolge neben dem Verlust von Lebensraum einer weiteren Bedrohung aus: Weil das Packeis im Frühling früher wegtaut und zu Eisinseln zerfällt, werden ausgerechnet zur Paarungszeit auch die "Duftrouten" zerrissen, denen die männlichen Bären auf der Suche nach Partnerinnen folgen. Die Fortpflanzung werde damit erheblich erschwert. Das gelte auch, wenn Eis infolge der Klimaerwärmung eine weniger feste Konsistenz annehme.

Umherirrende Bären

Werden Eisbären bei der Suche nach Partnern nicht mehr von Duftspuren auf intaktem Packeis geleitet, irren sie zwischen Eisschollen oder im Schneematsch auf dünner gewordenen Eispanzern umher und verschwenden nutzlos Energie. "Werden diese Duftrouten durch eine Zerteilung des Habitats durchschnitten, können Eisbären Schwierigkeiten bekommen, Partner zu finden", heißt es in der Studie. Männchen falle es zudem schwerer, aggressiven Rivalen frühzeitig auszuweichen. Die in der Nordpolarregion überproportional wirkende Erderwärmung lässt das winterliche Packeis vor allem in der südlichen Arktis im Frühjahr schneller schmelzen, während die Gewässer im Herbst erst später zufrieren. Für den Eisbär, der auf dem Packeis Robben jagt, ist das ein Problem, denn seine Jagdsaison, in der er Fett für den mageren Sommer ansetzt, verkürzt sich.

Bedroht sind vom Klimawandel vor allem Eisbärpopulationen in der Südarktis. Die, so die Forscher, brauche es aber, um die genetische Vielfalt der Art zu erhalten. Notfalls müssten diese Populationen in Zuchtzentren in die Gefangenschaft überführt werden, damit ihr Genpool erhalten bleibt, schreiben die Forscher.

Eisbären haben die Eigenart, einzelgängerisch zu leben, riesige Strecken zu wandern und sich nur saisonal zu paaren. Auf Artgenossen treffen sie eher selten. Andere Bärenarten nutzen meist Bäume oder Steine für Duftmarkierungen, indem sie dorthin urinieren oder daran das Fell scheuern. Damit stecken sie Reviere ab, lokalisieren Rivalen oder finden Partner. Weil es im Eis, zumal im Packeis, daran fehlt, verbreiten Eisbären ihre Geruchssignale hauptsächlich über Schweißdrüsensekrete. Dass Eisbären über chemische Signale kommunizieren, war in der Wissenschaft schon lange vermutet worden, laut der Studie aber zuvor noch nie systematisch erforscht worden.(Kai Althoetmar, DER STANDARD, 11.4.2015)