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Piech und Winterkorn, Streitereien zwischen den Familien haben schon Tradition.

Foto: Reuters/Morris Mac Matzen

Wolfsburg - Im Machtkampf bei Volkswagen versuchen Aufsichtsratsmitglieder nach Angaben aus Arbeitnehmerkreisen, die Streitparteien an einen Tisch zu bringen. "Man versucht, auf verschiedenen Ebenen ins Gespräch zu kommen", sagte eine mit den Beratungen vertraute Person am Dienstag.

Eine Möglichkeit sei eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung. Ein Treffen solle "so schnell wie möglich" stattfinden. Ob dies noch in dieser Woche gelinge, werde sich zeigen. Auch das "Handelsblatt" hatte zuvor über Bemühungen für eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung berichtet.

Betriebsrat stärkt Winterkorn den Rücken

Seit einigen Tagen halten sich zudem Spekulationen über eine Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums. Diese einflussreiche Gremium bereitet Treffen des größeren Kontrollrats vor. Planmäßig tagt der Aufsichtsrat erst am 4. Mai, einen Tag vor der Hauptversammlung.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wollte sich auf der Hannover Messe nicht erneut zu dem Streit zwischen Aufsichtsratschef Ferdinand Piech und Konzernchef Martin Winterkorn äußern. "Ich finde, es ist im Moment das Klügste, dass man einfach nichts sagt." Der SPD-Politiker hatte sich vergangene Woche unmittelbar nach Piechs Kritik an Winterkorn "unangenehm überrascht" über dessen Äußerungen gezeigt. Auch der Betriebsrat stellte sich hinter Winterkorn. Niedersachsen ist zweitgrößter Anteilseigner von Volkswagen.

Piech hatte den Machtkampf ausgelöst, indem er sich vom Magazin "Der Spiegel" mit den Worten zitieren ließ, er sei auf Distanz zu Winterkorn gegangen. Über die Gründe für das Abrücken von seinem einstigen Ziehsohn wird seitdem spekuliert.

Familiäre Zwietracht

Unterdessen droht der Streit im Familienclan der Porsches und Piechs wieder aufzuflammen. Im Machtkampf bei VW gehen als zentrale Figuren VW-Patriarch Ferdinand Piech und sein Cousin Wolfgang Porsche auf Konfrontationskurs. Der Clan hält die Macht bei Europas größtem Autobauer - aber nur gemeinsam. Uneinigkeit zwischen den beiden Familienstämmen gibt es nicht zum ersten Mal.

"Orakel von Salzburg"

Diesmal geht es um die öffentliche Kritik an VW-Chef Martin Winterkorn. Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche können wie Gegenpole wirken. Das ist gut zu sehen, wenn die Cousin etwa bei Preisverleihungen auf einer Bildfläche erscheinen. Wolfgang Porsche ist nahbar. Er versprüht bubenhafte Freude, wenn er von seinen Autos schwärmt. "Er ist ein wichtiger Ruhepol", sagt Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück über "WoPo", wie sie den 71 Jahre alten Doktor der Handelswissenschaften nennen. Wenn Ferdinand Piech dagegen Hof hält, weichen Anwesende ehrfurchtsvoll zurück. "Der Alte" heißt er intern. Insider nennen den für seine Halbsätze berüchtigten Österreicher das "Orakel von Salzburg".

"WoPo", wie Piech ein Enkel des Porsche-Gründers Ferdinand, stammt aus dem Zweig der Familie, der als anthroposophisch gilt. "Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man nicht nach Profiten giert, sondern dass man unter Menschen mit Menschen umgeht", sagte Porsche einst dem Südwestrundfunk. "WoPo" ist Waldorfschüler. Piech wurde als Heranwachsender von einer Salzburger Realschule auf das Schweizer Elite-Internat Zuoz geschickt.

Kühle Aura

Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche sprechen beide leise. Bei "WoPo" wirkt das großväterlich-sanft, bei Piech eher so, als wisse er genau, dass er als Machtzentrum seine Stimme gar nicht erst heben muss. Den Autokonstrukteur und Manager, den Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder einmal in einer Laudatio in eine Reihe mit Henry Ford und Gottlieb Daimler rückte, umweht eine Aura kühler Unnahbarkeit und kompromissloser Willenskraft. "WoPo" gilt als bodenständig - ein Familienmensch, traditionsbewusst. Er ist Nebenerwerbslandwirt.

Piech hat mit wenigen Worten schon Managerkarrieren beendet. Der gewiefte Taktiker platziert knappe Sätze punktgenau in den Medien. Einer dieser berüchtigten Piëch-Sätze traf am Freitag den VW-Chef "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", sagte Piech. Dem hält "WoPo" nun entgegen: "Die Aussage von Herrn Dr. Piech stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist."

Streit und Burgfrieden

Damit tritt in der Familie wieder offen ein Bruch zutage. Streit zwischen den Familien gab es schon, als sich die Sportwagenschmiede Porsche vor rund sechs Jahren mit ausgefeilten Geldgeschäften anschickte, den viel größeren VW-Konzern zu schlucken. Hinter den Kulissen herrschte Hauen und Stechen, wie Eingeweihte zu berichten wissen. Am Ende verhob sich die Porsche-Muttergesellschaft PSE. Unter der Last von 11,4 Mrd. Euro Schulden kapitulierte sie, und ausgerechnet der VW-Konzern wurde zur letzten Rettung. Als Ergebnis hält heute die in Porsche/Piech-Besitz befindliche PSE die Macht bei Volkswagen und ein Burgfrieden ist geschlossen. 2012 holte der Konzern den Autobauer Porsche AG als zwölfte Marke unter sein Dach. Seither herrschte Ruhe.

Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen ist überzeugt, dass Piech auch in der aktuellen Krise siegen wird. "Er hat erkannt, dass ohne seine Aktion jetzt viel auf dem Spiel steht. Deshalb hat er so reagiert", sagt Dudenhöffer und verweist auf die VW-Dauerbaustellen wie die geringe Marge der VW-Kernmarke, die Winterkorn offensichtlich nicht in den Griff kriege. "Piech traut Winterkorn nicht zu, den Konzern in die Zukunft zu führen", sagt Dudenhöffer.

Auch Piech-Biograf Wolfgang Fürweger sieht den VW-Patriarchen als einzig möglichen Sieger in dem Machtkampf. "Es wird einer auf der Strecke bleiben - und das wird nicht Ferdinand Piech sein", sagt der Österreicher. Er gehe davon aus, dass die Familien Porsche und Piech eine Lösung finden werden - und zwar im Sinne von Piëch. "Was hätte die Porsche-Familie von einem internen Bruch - nur um einen hoch bezahlten Manager zu schützen?", fragt Fürweger. "Am Ende haben sich die Familienbande Porsche-Piëch noch immer durchgesetzt." (APA/Reuters, 14.4.2015)