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Wolfgang Muthspiel: am Dienstag im Wiener Porgy & Bess, am Mittwoch in Fürstenfeld.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Wien - Wenn man fleißig unterwegs ist, fleißig wie Wolfgang Muthspiel, wenn man mit etablierten Kollegen der Jazzwelt musikalisch plaudert, ergeben sich abseits der Musik Gespräche über Gott und Business. Und wie Muthspiel also mit Gitarrist Mick Goodrick und Sopransaxofonist Dave Liebman zusammensaß, fragte er, was sie sich denn beruflich so wünschen würden, so sie träumen könnten. Und siehe da: Beide würden es vorziehen, "ein Jahr Pause einlegen zu können".

Muthspiel versteht das, ihn treibt Ähnliches um: "Ab Juli 2016 lege ich ein halbes Jahr Pause ein. Keine Konzerte, kein Unterrichten, keine Termine, keine Ahnung, was ich machen werde. Wenn ich Lust habe, spiele ich. Wenn nicht, dann nicht. Ich möchte erleben, wie es ist, nichts tut zu müssen. Wobei es eigentlich nicht zwingend um eine Phase ohne Musik und Üben geht. Eher um eine Phase ohne Druck. Ein ganzes Jahr wäre aber zu lang."

An die Oberfläche

Daueraktivität bringe es jedenfalls mit sich, "dass gewisse musikalische Aspekte nicht an die Oberfläche dringen können. Um etwas Neues zu finden, braucht es wohl eine bestimmte Art von Langeweile, von Müßiggang. Beides existiert üblicherweise nicht, es muss ja ständig etwas weitergehen. Ich beklage mich natürlich nicht. Das, was ich gern mache, möchte ich unter möglichst guten Bedingungen tun. Da muss man dran bleiben. Es gibt Veranstalter, die planen jetzt schon das Jahr 2017. Will ich bei denen spielen? Dann muss ich jetzt schon ein Programm anbieten. Ich meine die großen Konzertveranstalter; im Clubbereich ist es einfacher, da wird nicht so langfristig geplant."

Wenn er so zurückblickt, so Muthspiel, "bemerke ich, dass ich eigentlich, seit ich 18 bin, auf dem Gaspedal stehe". Es hat sich allerdings ausgezahlt. Zusammen mit seinem Bruder Christian Muthspiel stieg er auch dank eines guten Plattenvertrags bei Universal zum Hoffnungsträger der heimischen Jazzszene auf. Nach und nach konnte er sich auch ohne Universal international dauerhaft etablieren.

Ob das geplante Sabbatical mit seinem 50er, den er am 2. März gefeiert hat, zu tun hat? Das würde Mutspiel eher nicht bestätigen. "Mein Alter ist mir eigentlich ziemlich egal. Meine Midlife-Crisis hatte ich damals, als mir die Haare ausgefallen sind - und das ist schon ewig her. Und in unserem Genre gibt es ja keinen Jugendwahn. Man muss die Dinge genießen, die man tut. Wenn ich zum Beispiel einen Tag mit ein paar Stunden Üben beginnen darf, kann ich danach alles machen. Ich schreibe sogar die freundlichsten E-Mails. Bei dieser Beschäftigung mit Musik fühle ich mich am ehesten zu Hause." Die Pause soll damit "gewissermaßen dem Erforschen von Musik dienen. Und: Ich werde sicher auch viel zur Gesangslehrerin gehen." Ist nicht überraschend. Das Vokale ist seit einer Weile eine weitere Obsession von Muthspiel, der mit Vienna nacked sein schönes Debüt als poppig und folkig klingender Orpheus feierte. Vienna, World ist nun die Fortsetzung, die auf Mutspiels eigenem Label Material Records erscheint, das ja auch betreut werden will - die CD erzählt quasi von einer Weltreise und Musikbegegnungen auf Basis von Muthspiels Songs, bei denen der Gitarrist auch als Sänger zu hören ist. Schweden, Brasilien, Argentinien waren dabei, aber auch Wien und New York. "Jede Begegnung bestand aus Proben, Konzerten und dem Gang ins Studio."

Stichwort New York. Die Stadt hat es Muthspiel angetan. "Sie ist für mich in Bezug auf Jazz immer noch die wichtigste. Ich arbeite auch ein bisschen am Wiedereinstieg in die USA. Das muss man gut planen. Ein Traum wäre, eine Woche lang im Village Vanguard zu spielen." Ist aber wohl ein Projekt für nach der Pause. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 14.4.2015)