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Geht es nach dem neuen Geheimdienstgesetz, so soll Verschwörung zum Terror im Internet unmöglich werden.

Foto: epa / MATTHIASÜBALK

Dem französischen Geheimdienst wachsen große Ohren – und das in Rekordzeit: Nach den Attentaten auf das Satireblatt "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt hat die Regierung in weniger als drei Monaten ein neues Geheimdienstgesetz formuliert. Die beiden Parlamentskammern segnen es nun im Schnellverfahren ab.

Und was in dem Gesetz steht, muss für besagte Agentenohren wie Musik klingen. Erlaubt wird das Verwanzen von Wohnungen oder Autos, die nicht einmal dem Hauptverdächtigen gehören, sondern seiner Entourage – was immer das heißen mag. Zugelassen werden auch sogenannte Keylogger, mit denen sich in Echtzeit mitverfolgen lässt, was jemand auf seiner Computertastatur schreibt.

Alle Handys abhören

Das Gleiche gilt für "Imsi-Catcher", aktenkoffergroße Apparate, die derzeit noch 100.000 Euro kosten: Mit ihnen lassen sich alle Handys in einem gewissen Umkreis abhören – ob von Freund oder Feind, dringend Verdächtigen oder bloßen Nachbarn.

Die Annahme des Gesetzes steht außer Frage: Sowohl das sozialistische Regierungslager als auch die konservative Oppositionspartei UMP ist grundsätzlich dafür. Dieser breite Konsens spiegelt die relativ unkritische Haltung der Öffentlichkeit wider. Die Bürger nehmen ihre Überwachung durch die Exekutive seit den Zeiten der Monarchie und Napoleons als gottgegeben hin.

Hoch und heilig

Zugleich glauben die Franzosen aber kein Wort, wenn die Regierung hoch und heilig verspricht, eine flächendeckende Massenüberwachung sei nicht vorgesehen, weil gesetzlich nicht erlaubt. Premierminister Manuel Valls erklärte am Montag zu Beginn der Parlamentsdebatte, das neue Gesetz schaffe einen klaren Rechtsrahmen: Die Terroranschläge im Jänner hätten klargemacht, dass eine Früherkennung dringend vonnöten sei, stellte Valls fest.

Die dünngesäten Gegner in der Nationalversammlung fragen allerdings, warum sich denn das Gesetz nicht auf Terrorbekämpfung beschränke. Auch die "wesentlichen Interessen Frankreichs" können als Grund für einen Lauschangriff herhalten. Laut den Grünen kommen als Ziele zum Beispiel auch Umweltschützer in Betracht, die einen Staudamm verhindern wollen.

Genehmigung für sich selbst

Genehmigt werden die Abhöraktionen nicht mehr von einem Untersuchungsrichter, sondern von den Polizeidiensten des Premierministers – das heißt von der gleichen Exekutive, die die Aktionen selbst vornimmt. Insofern ist das Gesetz sogar ein Rückschritt.

Die Spähoperationen müssen zwar einer -–noch zu bildenden – Kommission mit Parlamentarierbeteiligung vorgelegt werden. Sie dürfte aber, wie so oft in Frankreich, nur eine Alibirolle spielen: Da sie nur beratenden Charakter hat, ist die Regierung nicht an ihre Meinung gebunden.

Die Hauptopposition gegen das Gesetz kommt nicht etwa aus der linksextremen Ecke. Nein: Sieben Provider wehren sich gegen die Möglichkeit der Behörden, bei Telekom-Operateuren wie in Flugzeugen eine "Blackbox" zu platzieren, die sämtliche Gespräche, SMS und Daten aufzeichnen soll.

Adrianne Charmet von "Quadratur des Netzes", einem französischen Verband für die Internetfreiheit, erklärte, die Blackboxbestimmung werde genau die Massenüberwachung à la NSA ermöglichen, die Frankreich in den USA kritisiert habe. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 14.4.2015)