Wien - Eine riesige Kartonschachtel steht auf der Bühne des Akademietheaters. In ihr: acht Studierende des Max-Reinhardt-Seminars. Eine frische Lieferung. In Zukunft wird es öfter zu solchen kommen: Österreichs 'erstes' Theater und seine 'erste' Schauspielschule wollen mehr kooperieren.

Die Schachtel (Bühne: Agnes Hamvas) wird zerlegt. Erst werden nur Fenster in die Wände geschnitten, doch schon bald fällt die häusliche Kulisse, und wir sind da, wo das Stück uns haben will: hinter der Fassade. Der Boden ist nun übersät mit Pappkartonstücken wie Erdschollen. Über all dem hängt ein Spiegel, in Aufsicht zeigt er das Bühnentreiben verzerrt, es scheint wie eine Spielzeugwelt, eine Versuchsanordnung.

In lose aufeinanderfolgenden Kurzszenen klappert Caryl Churchills Liebe und Information die Möglichkeiten des Umgangs mit dem ab, was Information genannt werden kann: gestehen, betrügen, verheimlichen; neugierig sein und die Augen verschließen. Und die Liebe? Sie ist der zwischenmenschliche Effekt von Information.

Neben Kants "Was kann ich wissen?" als Frage der Aufklärung tritt folglich eine weniger philosophische, dafür aber praktisch bedeutsame Frage der Verklärung: Was will ich wissen? Ja, ich will wissen, wo mein Ausschlag herkommt! Aber will ich wissen, dass mein Partner mich hintergeht? Will ich, dass eine Information mein Leben verändert? – "Ich wollte nur nicht, dass das etwas ist, was ich niemals sagen kann. Mir wär's am liebsten, wenn alles so weitergeht wie vorher."

In ständig wechselnden Rollen bewegen sich die Reinhardt-Seminaristen im Churchill'schen Kaleidoskop der Welt zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Inmitten der starken Leistungen von Michael Köhler, Marvin Weiß, Johanna Prosl, Ricarda Bistram, Josephine Bloéb und Luka Vlatkovic ernten Meo Wulf als fiependes Vögelchen und Michaela Saba als melodramatische Bodenturnerin im Abendkleid Szenenapplaus.

Stets bleiben die Umstände der Handlung vage, am besten ist die Inszenierung (Regie: Esther Muschol), je überraschender sie den Text auf eine Szenerie treffen lässt. Etwa das Gespräch über die Stimme Gottes, inszeniert beim Heiratsantrag eines Punks. Das zeigt Paradoxie und Absurdität des Menschen, die hier immer wieder durchblitzen, am eindrücklichsten. Lakonisch, flapsig oder bewusst übertrieben (Nebelmaschine!), lässt jede Heiterkeit einen Hinter- oder Abgrund spüren. Akkordeonmusik zwischen den Nummern sorgt dabei für melancholische Zärtlichkeit.

Es sind kleine Geschichten wie Auftakte zu eigentlichen, großen Geschichten, die nicht folgen werden. Was aber folgt: großer Applaus! Bitte mehr davon! (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 13.4.2015)